Mit der Ratifizierung des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht (EPGÜ) und dem darauffolgenden Arbeitsbeginn des Einheitlichen Patentgerichts (EPG; engl.: Unified Patent Court – UPC) am 1. Juni 2023, besteht die Möglichkeit, den Rechtsbestand eines Patents im Rahmen eines anhängigen Verletzungsverfahrens in Form einer Widerklage auf Nichtigerklärung anzugreifen. Die Widerklage auf Nichtigerklärung wird somit oft als Reaktion auf eine Verletzungsklage (Klageerwiderung) eingesetzt. Sollte, nämlich, infolgedessen das Patent erfolgreich für nichtig erklärt werden, dann wird die Rechtsgrundlage der Verletzungsklage entzogen.
Im Laufe des ersten Arbeitsjahres des Gerichts, also im Zeitraum zwischen dem 1. Juni 2023 und 31. Mai 2024, wurden insgesamt 165 Widerklagen auf Nichtigerklärung eingereicht, wobei diese im Rahmen von 63 Verletzungsklagen erhoben wurden. Die Anzahl der erhobenen Widerklagen auf Nichtigerklärung erscheint im Vergleich zu den anhängigen Verletzungsklagen deswegen hoch, da, bis vor Kurzem, jeder Beklagte in einem Verletzungsverfahren eine eigene Widerklage auf Nichtigerklärung erheben sollte.
Widerklage auf Nichtigerklärung als Klageerwiderung und Nichtigkeitsgründe
Der Beklagte in einem Verletzungsverfahren kann durch die Klageerwiderung reagieren, welche er innerhalb von drei Monaten nach Zustellung der Klageschrift einzureichen hat (Regel 23 Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts – EPGVerfO). Wenn der Beklagte der Auffassung ist, dass das angeblich verletzte Patent ungültig ist, muss die Klageerwiderung eine Widerklage auf Nichtigerklärung des Patents gegen den Inhaber des Patents enthalten (Regel 25, Abs. 1 EPGVerfO). Da das Gericht über die Gültigkeit des Patents auf der Grundlage der Widerklage auf Nichtigerklärung entscheiden wird (Art. 65, Abs. 1 EPGÜ), muss diese einen oder mehrere Nichtigkeitsgründen enthalten. Die Nichtigkeitsgründe werden im Art. 138 des europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) erschöpfend aufgezählt. Demzufolge kann ein Patent nur für nichtig erklärt werden, wenn sein Gegenstand nicht patentierbar ist, wenn es die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann, wenn sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung hinausgeht oder wenn sein Schutzbereich unzulässig erweitert wurde und wenn sein Inhaber nicht dazu berechtigt ist (Art 38, Abs. 1 EPÜ). Das Gericht kann dementsprechend ein Patent ausschließlich aus den obengenannten Gründen entweder ganz oder teilweise für nichtig erklären (Art. 65, Abs. 2 EPGÜ). In diesem Fall gelten die aus dem erteilten Patent gewährten Rechte als von Anfang an nicht eingeräumt (Art. 65, Abs. 4 EPGÜ).
Zuständigkeit des einheitlichen Patentgerichts (UPC)
Laut Art. 32 EPGÜ ist UPC sowohl für Verletzungsklagen als auch für Klagen auf Nichtigerklärung bzw. für Widerklagen auf Nichtigerklärung von Patenten zuständig. Daraufhin wird die Frage der Verletzung sowie des Rechtsbestandes eines Patents beim UPC von demselben Gericht behandelt.
Betreffend die Zuständigkeit der Kammern des Gerichts erster Instanz im Fall einer Widerklage auf Nichtigerklärung kann sich die betreffende Lokal- oder Regionalkammer, bei der die Verletzungsklage anhängig ist, nach Anhörung der Parteien nach eigenem Ermessen für eine folgender Optionen entscheiden: i) sowohl die Verletzungsklage als auch die Widerklage auf Nichtigerklärung zu verhandeln, ii) die Widerklage auf Nichtigerklärung an die Zentralkammer zu verweisen und das Verletzungsverfahren auszusetzen oder fortzuführen, iii) den Fall mit Zustimmung der Parteien an die Zentralkammer zu verweisen (Art. 33, Abs. 3 lit. a, b, c EPGÜ).
Eine Widerklage auf Nichtigerklärung kann zusätzlich zu einer bereits bei der Zentralkammer anhängigen Klage auf Nichtigerklärung erhoben werden (Art. 33, Abs. 5 EPGÜ, Regel 75 EPGVerfO). In diesem Fall setzt der in der Zentralkammer für die Verhandlung über die Klage auf Nichtigerklärung bestimmte Spruchkörper das gesamte weitere Verfahren über die Klage auf Nichtigerklärung bis zu einer Entscheidung des Spruchkörpers, der gemäß Artikel 33 Absatz 3 EPGÜ die Verhandlung über die Verletzungsklage führt, aus, sofern die Parteien nichts anderes vereinbart haben (Regel 75, Abs. 3 EPGVerfO).
Neben den Möglichkeiten der Klage auf Nichtigerklärung und der Widerklage auf Nichtigerklärung kann der Rechtsbestand eines erteilten europäischen Patents auch im Wege eines sogar kostengünstigeren Einspruchsverfahrens angegriffen werden, allerdings nur innerhalb von neun Monaten nach Bekanntmachung der Erteilung (Art. 99 EPÜ).
Autorin: Dr. Olga Michala
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