Die rechtliche Basis zur Erteilung und Durchsetzung des Einheitspatents besteht aus zwei europäischen Verordnungen und einem multinationalen Übereinkommen, welches jedoch allein EU-Mitgliedstaaten offensteht. Damit soll ein einheitlicher Patentschutz ermöglicht werden, der sich auf die teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten erstreckt. Die Konstruktion scheint zweckmäßig, aber nicht unproblematisch.
Sekundärrechtliche Basis durch zwei Verordnungen
Die Verordnung Nr. 1257/2012 zur Schaffung eines einheitlichen Patentschutzes (EPat-VO) und die Verordnung Nr. 1260/2012 über die anzuwendenden Übersetzungsregelungen (Übers-VO) bilden die sekundärrechtliche Basis für das Europäische Patentsystem. Die Verordnungen wurden im Rahmen der Ermächtigung Art. 118 EUV und der verstärkten Zusammenarbeit Art. 20 EUV erlassen. Europäische Verordnungen gelten durchgreifend, d.h. ohne vorherige Umsetzung in nationales Recht.
Die EPat-VO kann analog zur Unionsmarkenverordnung oder zur Verordnung zum Gemeinschaftsgeschmacksmuster angesehen werden. Die EPat-VO nutzt die im Europäischen Patentübereinkommen (EPÜ) angelegte Ermächtigungsgrundlage für einheitliche Patente Art. 142 EPÜ. EU-Einheitspatente können somit vom Europäischen Patentamt erteilt werden und haben gemäß der EPat-VO in allen teilnehmenden EU-Staaten Gültigkeit. Im Unterschied zu EPÜ-Patenten stellt das EU-Einheitspatent kein Bündelpatent dar, das nach Erteilung in nationale Patente zerfällt. Obwohl das EPÜ ein völkerrechtlicher Vertrag ist und kein Gemeinschaftsrecht, sieht der EuGH die Einbindung des EPÜ zur Erteilung unproblematisch (EuGH, Urt. v. 11.05.05.2015 – C146/13, Spanien/Parlament und Rat). Darüberhinaus enthält die EPat-VO Regelungen zur einheitlichen Wirkung, zur Erschöpfung, zu Registerpflichten und zur Lizenzbereitschaft sowie einige kollisionsrechtliche Regelungen. Die EPat-VO ist dementsprechend schlank.
Die Einigung über den Mechanismus der verstärkten Zusammenarbeit erforderte keine Einstimmigkeit. Dies war auch nicht zu erwarten, denn Italien und Spanien wollten der vorgeschlagenen Sprachenregelung nicht zustimmen. Aktuell zählt man unter den 27 EU-Mitgliedstaaten 24 Amtssprachen. Dies verdeutlicht die schwierige Situation, welche einer solchen Einigung zugrunde liegt. Sprachregelungen zählten bereits bei früheren Versuchen für einen einheitlichen europäischen Patentschutz zu den größten Hürden. Dementsprechend kann der Erlass, insbesondere der Übers-VO, durchaus als Erfolg gewertet werden. Kritisiert wurde jedoch vielfach der intransparente Rechtsetzungsprozess.
Das völkerrechtliche Übereinkommen zum einheitlichen Patentgericht
Neben der EPat-VO und der Übers-VO ist die dritte und inhaltsreichste Komponente das Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht (Unified Patent Court Agreement, UPCA). Das UPCA enthält umfangreiche materielle und prozessuale Regelungen, insbesondere zu Patentverletzung und zu ergänzenden Schutzzertifikaten. Das UPCA ist als völkerrechtlicher Vertrag (und nicht als EU-Sekundärrecht) gestaltet, steht aber allein EU-Mitgliedstaaten zur Ratifikation und zum Beitritt offen.
Durch das UPCA wird das eigenständige einheitliche Patentgericht (Unified Patent Court, UPC) mit zwei Instanzen errichtet. Die erste Instanz verfügt über eine Zentralkammer in Paris mit Abteilungen in München und London sowie über lokale und regionale Kammern. Das Berufungsgericht hat seinen Sitz in Luxemburg.
Sachlich zuständig ist der UPC insbesondere für Klagen in Verbindung mit der Durchsetzung oder Nichtigerklärung des Einheitspatents. Darüber hinaus sollen am UPC auch Mediations- und Schiedsverfahren durchgeführt werden. Trotz der Implementierung über ein völkerrechtliches Abkommen, ist der UPC ein Gericht im Rechtssystem der EU. Fragen zum EU-Recht müssen dem EuGH zur Auslegung vorgelegt werden. Da die Regelungen im UPCA jedoch selbst kein EU-Recht darstellen, sind diese allein durch den UPC zu entscheiden und ggf. fortzubilden.
Nicht vereinheitlicht wurden Übertragung eines EU-Patents, dessen Zwangslizensierung sowie dessen Behandlung im Zuge eines Vollstreckungs- oder Insolvenzverfahrens.
Auch am UPCA gab es Kritik wegen mangelnder Transparenz des Rechtsetzungsverfahrens. Materielle Kritik hervorgerufen haben insbesondere die komplexen Zuständigkeitsregeln und die Möglichkeit in jedem EU-Mitgliedstaat kompetenzunabhängig Lokalkammern einrichten zu können, die über die Macht verfügen ein EU-Patent erstinstanzlich vernichten können.
Umgehung des EuGH
Durch die Architektur des EU-Einheitspatents und des UPC sind Entscheidungen zur Erteilung sowie zur Durchsetzung und Nichtigkeit nicht durch den EuGH überprüfbar. Dies war insbesondere eine wichtige Forderung von Patentanwälten. Zum einen dauern Entscheidungen des EuGH oft sehr lange. Zum anderen war die fehlende patentrechtliche und technische Spezialisierung der EuGH-Richter ein Grund dafür, den EuGH zu umgehen und durch spezialisierte Institutionen zu ersetzen: Für die Überprüfung von Erteilungsentscheidungen sind die Beschwerdekammern des EPA zuständig. Für die Überprüfung von Entscheidung zu Verletzung und Nichtigkeit ist das UPC zuständig. Die Umgehung des EuGH basiert auf guten Gründen. Dennoch ist diese Vorgehensweise nicht ideal und ebensowenig alternativlos, wie die europäischen Schutzsysteme für Marken und Designs zeigen. Auch die Errichtung einer spezialisierten Patentkammer beim EuGH wäre prinzipiell möglich.
Zusammenfassend bietet das System aus Einheitspatent und Einheitsgericht auf Basis der EPat-VO, der Übers-VO und des UPCA umfassende Funktionen für einen einheitlichen, grenzüberschreitenden europäischen Patentschutz. Dabei baut das System auf das bewährte EPÜ-System zur Erteilung Europäischer Bündelpatente auf und ist eng an die bewährten Zuständigkeitsregeln der Brüssel-Ia-VO gekoppelt. Neuland wird insbesondere in der Operationalisierung des Gerichtssystems liegen, welches sich sowohl personell, organisatorisch und rechtskulturell erst etablieren muss. Die geringe Transparenz und die mangels vollständiger Gemeinsamkeit erforderliche Verabschiedung im Wege der verstärkten Zusammenarbeit könnten für eine endgültige Ratifizierung eine Hypothek darstellen. Ob diese rechtliche Basis zu einem Zuhause für ein einheitliches EU-Patent ausgebaut werden kann, wird von zukünftigen Entscheidungen abhängen.