Patente auf Software

Softwarepatente bewegen die Welt. Sie sind oft umstritten und dennoch basiert heute ein hoher Anteil Patente in irgendeinem Aspekt auf Software. Grund genug, sich die Entwicklung der Rechtssprechung zu Softwarepatenten genauer anzusehen.

In Teil 2 der Retrospektive zur frühen Rechtssprechung von Softwarepatenten werden fünf Entscheidungen aus den Jahren zwischen 1980 bis 1992 vorgestellt. Durch sie werden die Schwierigkeiten deutlich, welche durch die Kerntheorie als Methode zur Bewertung der Technizität einer Erfindung entstanden. In der letzten vorgestellten Entscheidung dieses Teils nahm der BGH schließlich Abstand von dieser Methode.

In Teil 1  (zu dem Sie hier gelangen)

1. Rote Taube, 1969
2. Dispositionsprogramm, 1976
3. Straken, 1977
4. Prüfverfahren, 1977
5. Kennungsscheibe, 1977
6. Fehlerortung, 1978
7. Antiblockiersystem, 1980

In Teil 2:

8. Walzstabteilung, 1980
9. Flugkostenminimierung, 1986
10. Chinesische Schriftzeichen, 1991
11. Seitenpuffer, 1991
12. Tauchcomputer, 1992

In Teil 3:

13. Automatische Absatzsteuerung, 1999
14. Logikverifikation, 2000
15. Sprachanalyseeinrichtung, 2000
16. Suche fehlerhafter Zeichenketten, 2001
17. Anbieten interaktiver Hilfe, 2004
18. Elektronischer Zahlungsverkehr, 2004
19. Rentabilitätsermittlung, 2004

 

8. Die BGH- Entscheidung “Walzstabteilung”, 1981

Der Entscheidung “Walzstabteilung” (BGH, GRUR 1981, 39) betraf ein Verfahren zum Steuern einer Walzstablänge auf Basis einer vorgegebene Verkaufslänge.

8.1 Leitsätze

Rechenprogramme für elektronische Datenverarbeitungsanlagen, bei deren Anwendung lediglich von einer in Aufbau und Konstruktion bekannten Datenverarbeitungsanlage der bestimmungsgemäße Gebrauch gemacht wird, sind auch dann nicht patentfähig, wenn mit Hilfe der Datenverarbeitungsanlage ein Herstellungs- oder Bearbeitungsvorgang mit bekannten Steuerungsmitteln unmittelbar beeinflußt wird (Ergänzung zu BGH “Dispositionsprogramm” und BGH “Straken”).

8.2 Streitgegenständliche Ansprüche

a) 1. Arbeitsverfahren beim Unterteilen von Walzstäben auf Kühlbettlängen hinter kontinuierlich arbeitenden Walzstraßen,
b) bei dem das Walzgut während der Auswalzung durch Meßeinrichtungen erfaßt wird und
c) die Meßwerte einem Rechner zugeführt werden, der die Gesamtlänge ermittelt und unter Berücksichtigung der maximalen, über das Kühlbett zu fördernden Länge und der minimalen, aus der Auslaufgeschwindigkeit des Walzgutes und dem Arbeitstakt des Kühlbettes sich ergebenden Länge, die Unterteilung in Teillängen von ganzzahligen Vielfachen der Verkaufslänge steuert
d) mit der weiteren Maßgabe, daß die keine volle Verkaufslänge ergebende Restlänge unter Berücksichtigung der maximalen Kühlbettlänge einem ganzzahligen Vielfachen der Verkaufslänge zugeschlagen wird und
e) keine der übrigen Teillängen mit einem größeren ganzzahligen Vielfachen der Verkaufslänge geschnitten werden, als die mit der Restlänge behaftete Teillänge,
dadurch gekennzeichnet,
f) daß die Festlegung der Teillänge, zunächst ausgehend von einer aufgrund des Einsatzgewichtes voraus berechneten Gesamtwalzlänge mit der Maßgabe erfolgt, daß bei einer Gesamtzahl von Teillängen, die aus der Gesamtwalzlänge geschnitten werden, die (n-l)-te (vorletzte) Teillänge und gegebenenfalls weitere (dritt- oder auch viertletzte) Teillängen um mindestens eine Verkaufslänge kürzer als das ganzzahlige Vielfache der mit der Restlänge behafteten letzten Teillänge und um mindestens eine Verkaufslänge länger als ein über der minimalen Länge gelegenes ganzzahliges Vielfaches der Verkaufslänge vorgesehen wird bzw. werden, und
g) daß die sich aus den Messungen vor den letzten Teilschnitten ergebende tatsächliche Gesamtwalzlänge mit der voraus berechneten Gesamtwalzlänge verglichen wird und
h) der sich ergebende positive oder negative Unterschied durch Zugabe oder Abzug von Verkaufslängen an der vorletzten oder gegebenenfalls dritt- oder auch viertletzten Teillänge ausgeglichen wird.

8.3 Streitverlauf

Vom deutschen Patentamt wurde das Patent mangels Neuheit zurückgewiesen.

In der Beschwerde argumentierte die Anmelderin hinsichtlich der Technizität, es kämen Naturkräfte auf Basis technischer Mittel zu Einsatz, um zeit- und kostenaufwendiges Aussortieren von Resten beim Produzieren von Walzstäben zu vermeiden:

Das erfindungsgemäße Verfahren liefere am Ende der Abkühlungsphase Walzstäbe, deren Abmessungen ein müheloses Ausscheiden der Restlängen ermöglichten.

Das Vorsehen der Pufferzone und deren richtige Dimensionierung seien ohne Berücksichtigung des bei der Fertigung verwendeten Materials und der durch das Fertigungsverfahren bedingten potentiellen Abweichungen nicht möglich, anders als etwa bei einer Organisations- und Rechenregel, bei der eine solche Abhängigkeit von konkreten Anwendungstatbestand nicht bestehe.

Das BPatG versagte die Technizität des beanspruchten Gegenstandes, gab die Entscheidung aber zur Rechtsbeschwerde an den BGH frei, weil der Rechtssprechung eine Präzedenz fehle.

Der BGH bestätigte das BPatg und attestierte ihm eine korrekte Anwendung der in den BGH-Entscheidungen “Dispositionsprogramm” (hier Entscheidung Nr. 2), “Straken” (hier Entscheidung Nr. 3), “Prüfverfahren” (hier Entscheidung Nr. 4) und “Fehlerortung” (hier Entscheidung Nr. 5) entwickelten Methoden.

Die Aufgabe sah der BGH in dem Zuschneiden unbekannter Walzstablängen in Abhängigkeit einer Verkaufslänge:

Nach der Beschreibung liegt [] die Aufgabe zugrunde, ein Arbeitsverfahren zu schaffen, welches es ermöglicht, aus Walzstäben, deren Länge noch nicht genau festgestellt ist, wenn die Aufteilung in zu einer Kaltscherenlage zusammenkommende Teillängen beginnt, Teillängen so zu schneiden, daß Restlängen stets an dem größten ganzzahligen Vielfachen der Verkaufslänge anhängen.

Der BGH sah weder eine neue Struktur noch eine neue Brauchbarkeit in der beanspruchten Lösung:

… daß diese technischen Mittel – Meßeinrichtungen, Rechner, Kaltschere – aber dem Fachmann bekannt seien und in der Patentanmeldung keine nähere Darstellung, erst recht keine erfinderische Weiterentwicklung erführen; ebenso wenig lehre die Patentanmeldung, mit den bekannten technischen Mitteln auf eine neue, erfinderische Art umzugehen.

Er schlussfolgerte:

“Der hieraus gezogene Schluß […], die gegebene Lehre sei deshalb eine “reine Denkanweisung” und stelle lediglich “eine systematisch niedergeschriebene, vollständige Anweisung” dar, “nach der eine Aufgabe durch Berechnungen gelöst werden kann”, wird dem Gegenstand der Erfindung gerecht und hat nach der Rechtsprechung des Senats zur Folge, daß die angemeldete Lehre mangels eines technischen Gehalts dem Patentschutz nicht zugänglich ist.”

Gemäß der Kerntheorie sieht er den Kern der Erfindung in einer rechnerischen Überprüfung, die technisch eingebettet ist:

“Die Lehre der Patentanmeldung besagt im wesentlichen nichts anderes, als daß – unter Einsatz der geläufigen technischen Apparaturen – zur Erzielung eines wünschenswerten Ergebnisses bei der Aufteilung der Walzstäbe eine rechnerische Überprüfung vorher gewonnener, noch ungenauer Werte vorgenommen werden soll. Damit diese neu gewonnenen Werte noch sinnvoll zur Korrektur der ungenauen Resultate verwendet werden können, soll die rechnerische Aufteilung an Hand der vorläufigen Werte bereits so vorgenommen werden, daß für die Korrektur ein gewisser Spielraum (durch die variable Bemessung der vorletzten Teillängen) besteht.”

Er sah im Wesentlichen die gleiche Situation wie bei der Entscheidung “Dispositionsprgramm” (hier Entscheidung Nr. 2), nur in Verbindung mit einem technischen Verfahren:

“Im Vergleich zu dem von dem Senat in der genannten Entscheidung (BGHZ 67, 22 – GRUR 1977, 96 ) behandelten Dispositionsprogramm liegen Unterschiede der hier zu beurteilenden Lehre nur darin, daß die nach dem Programm verarbeiteten Werte eine Beziehung zu technischen Vorgängen haben und daß die mit Hilfe des Programms gewonnenen Ergebnisse Verwertung in einem technischen Verfahren finden. ” 

8.4 Kernaussagen des BGH

Der BGH bestätigte die bisherige Rechtssprechung seit der Entscheidung “Dispositionsprogramm”:

Wie der Senat in seiner Entscheidung “Dispositionsprogramm” ausgeführt hat, entscheidet sich die Frage nach dem technischen Charakter einer Lehre nicht nach deren sprachlicher Einkleidung. Es ist deshalb ohne entscheidende Bedeutung, daß in dem Patentanspruch technische Vorrichtungen und Größen genannt sind.

Entscheidend ist auch nicht, daß für die Durchführung des erfindungsgemäßen Verfahrens technische Mittel sinnvoll sind oder gar allein in Betracht kommen (Entscheidung des Senats “Prüfverfahren”).

Schließlich ist es ohne Bedeutung, daß das durch die Anwendung der Lehre gewonnene Ergebnis auf technischem Gebiet Verwendung findet (Senatsentscheidung “Straken”).

Es kommt vielmehr lediglich darauf an, in welchen Anweisungen der als neu und erfinderisch beanspruchte Kern der Lehre zu sehen ist, das heißt, in welchen Schritten das Problem der fertigen Lösung zugeführt wird. (Im Original ohne Leerzeilen.)

8.5 Einordnung

Aus der Entscheidung “Walzstabteilung” wurde vorgehend umfangreich zitiert, um die Ambivalenz darzustellen, welche durch die Kerntheorie erzeugt wurde. Denn aus heutiger Sicht liest sich die Begründung des BGH teilweise wie eine Bestätigung der Technizität anstatt einer Abweisung.

In seiner Begründung geht der BGH zudem nicht auf den anspruchsgemäßen geschäftlichen Parameter der “Verkaufslänge” ein, sondern versucht die Abweisung allgemeiner zu begründen. Das Problem dieser Vorgehensweise sind Schlussfolgerungen die sich auch genau anders –  nämlich technisch – lesen lassen:

“Die Lehre erschöpft sich danach darin, relevante Meßwerte anzugeben sowie die rechnerischen Operationen zu bezeichnen, durch deren Anwendung auf die Meßwerte das gewünschte Ergebnis erzielt wird.

Fraglich ist auch, ob das Problem der Technizität überhaupt problematisiert worden wäre, wenn Aufgabe und Lösung (bzw. die gesamte Patentanmeldung) auf den betriebswirtschaftlichen Kontext verzichtet hätte, insbesondere auf den geschäftlichen Parameter “Verkaufslänge”. Dieser Parameter hätte durch den allgemeineren Begriff “vorgegebene Länge” ersetzt werden können (der natürlich den Begriff “Verkaufslänge” umfasst hätte).

 

9. Die BGH-Entscheidung “Flugkostenminimierung”, 1986

In der Entscheidung “Flugkostenoptimierung” (BGH, GRUR, 1986, 531) wird die Kerntheorie rigoros angewendet. Durch den Rückgriff auf das geronnene Wissen etlicher Vorentscheidungen kann sie als Höhepunkt der Anwendung der Kerntheorie bezeichnet werden. Die Probleme dieser Methodik treten hier auch besonders stark hervor.

9.1 Leitsätze

Werden bei einem Verfahren (hier: Verfahren zur Minimierung von Flugkosten) sowohl von Naturkräften abgeleitete Meßwerte als auch betriebswirtschaftliche Faktoren rechnerisch in der Weise miteinander verknüpft, daß das Ergebnis der Rechnung einen Steuervorgang auslöst (hier: Änderung des Treibstoffdurchsatzes), so ist das Verfahren dann keine der Patentierung zugängliche technische Lehre, wenn die markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren den entscheidenden Beitrag zur Erreichung des erstrebten Erfolges liefern und die eingesetzten Naturkräfte demgegenüber an Bedeutung zurücktreten.

9.2 Streitgegenständliche Ansprüche

Hauptantrag

a) Verfahren zur optimalen Regelung des Treibstoffdurchsatzes eines Flugzeugs bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen
b) unter Verwendung eines Rechners mit einem Speicher und einem Vergleicher,
dadurch gekennzeichnet,
c) daß zunächst dem Rechner (R), dem der jeweilige Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten des Flugzeugs eingegeben sind, automatisch die im Flugzeug gemessenen Werte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit eingegeben werden,
d) woraufhin der Rechter (R) – der momentan aus Treibstoffpreis, Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit die Treibstoffkosten pro Entfernungseinheit und aus Flugzeitkosten und Geschwindigkeit den betreffenden Teil der Gesamtflugzeitkosten pro Entfernungseinheit ermittelt
e) und diese Treibstoffkosten und diesen Teil der Gesamtflugzeit kostet summiert und als Erstergebnis speichert
f) die Änderung des Treibstoffdurchsatzes um einen vorbestimmten Betrag veranlaßt,
g) daraufhin die sich ergebenden Werte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit erneut automatisch dem Rechter (R) eingegeben werden,
h) woraufhin nach Vergleich des aus Treibstoffpreis, Treibstoffdurchsatz, Fluggeschwindigkeit und Flugzeitkosten ermittelten Zweitergebnisses mit dem gespeicherten Erstergebnis mittels des Vergleichers (C) eine weitere automatische schrittweise Verstellung des Treibstoffdurchsatzes in der vom Vergleicher (C) ermittelten Richtung zu geringeren Ergebniswerten jeweils unter Abspeicherung des letztet Ergebniswertes im Speicher angeschlossen wird,
i) bis der Vergleicher (C) zumindest eine Annäherung an einen minimalen Ergebniswert feststellt,
j) der daraufhin als Endergebnis gespeichert wird,
k) und daß nach Ablauf einer vorbestimmten Zeiteinheit das Verfahren wiederholt wird und so fort,
l) wobei jeweils das zuletzt ermittelte Endergebnis gespeichert wird und die Rolle des Erstergebnisses in dem jeweils folgenden Verfahrenszyklus spielt.

Hilfsantrag

a) Automatisches Verfahren zur optimalen Regelung des Treibstoffdurchsatzes eines Flugzeugs, bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen, um die Gesamtflugzeitkosten auf einen Minimalwert zu bringen, unter Verwendung eines Rechners mit Speicher und Vergleicher,
gekennzeichnet durch folgende Schritte:
b) dem Rechner werden der jeweilige Treibstoffpreis und die Flugzeitkosten eingegeben,
c) an vorbestimmten Zeitpunkten werden dem Rechner automatisch Meßwerte für den Treibstoffdurchsatz und die Fluggeschwindigkeit eingegeben,
d) der Treibstoffdurchsatz wird in vorbestimmten Zeitabständen um einen vorbestimmten Betrag schrittweise in Richtung auf geringere Ergebniswerte geändert, bis die anhand der jeweiligen Fluggeschwindigkeit und des Treibstoffdurchsatzes und der Treibstoffkosten pro Entfernungseinheit und der Flugzeitkosten pro Entfernungseinheit im Rechner wiederholt ermittelten Ergebniswerte der Gesamtflugzeitkosten pro Entfernungseinheit ein Minimum erreichen,
e) der sich so ergebende Treibstoffdurchsatz wird über eine vorbestimmte Zeit konstant gehalten,
f) die Verfahrensschritte b, c und d werden in vorbestimmten Zeitabständen unter Benutzung des jeweils letzten Ergebniswertes der vorangegangenen Verfahrensschritte b und c wiederholt.

9.3 Streitverlauf

Die Nichtigkeitsklägerin machte mangelnde Technizität des Gegenstandes des Streipatents geltend. Das BPatG hatte die Klage abgewiesen und das Patent aufrechterhalten. Mit der Berufung verfolgte die Nichtigkeitsklägerin ihr Ziel weiter.

Der BGH kritisierte zunächst das in der Beschreibung genannte Problem der Erfindung:

“[Soweit ] als Aufgabe der Erfindung herausgestellt wird, das bekannte Suchschrittverfahren so zu gestalten, daß die Regelung des Treibstoffdurchsatzes im Sinne der Erzielung minimaler Kosten automatisiert wird, sind dabei bereits Lösungsgedanken genannt, die nicht das der Lehre zugrunde liegende Problem bezeichnet.

Der BGH sah das Problem vielmehr in einer Parametierung eines – in der Beschreibung als bekannt geschilderten – Optimalregelalgorithmus:

Dieses besteht vielmehr darin, den Treibstoffdurchsatz eines Flugzeugs so zu regeln, daß das Flugzeug bezogen auf einen Flug zwischen zwei Flughäfen mit minimalen Kosten fliegt.

Zur Prüfung von Technizität zieht der BGH die Definition aus der Entscheidung “Rote Taube” (hier Entscheidung Nr. 1) heran und prüfte diese anhand der Kerntheorie, mit Verweis auf die Entscheidung “Dispositionsprogramm” (hier Entscheidung Nr. 2).

Dabei kommt er zunächst zu dem Ergebnis, dass technische Parameter und betriebswirtschaftliche Parameter eine Rolle spielen:

“Es werden nicht allein die jeweiligen Änderungen des Treibstoffdurchsatzes und der Geschwindigkeit des Flugzeugs für zwei Teilstrecken automatisch ermittelt und für sich allein automatisch als Steuerungssignal für den Treibstoffdurchsatz eingesetzt, um das Ziel der Kostenminimierung zu erreichen, was als technische Lehre anzusehen wäre (vgl. BGH in GRUR 1980, 849 , 850 re. Sp. – Antiblockiersystem), sondern es werden auch die betriebswirtschaftlichen Faktoren “Treibstoffpreis” und “Flugzeitkosten” herangezogen, um dieses Ziel zu erreichen.”

Eine weitere Analyse ergebe den Schwerpunkt auf den betriebswirtschaftlichen Parametern, die somit den Kern der beanspruchten Lehre darstellten:

Eine Gewichtung der Maßnahmen, derer sich die beanspruchte Lehre bedient, um das Ziel der erstrebten Kostenminimierung zu erreichen, ergibt, daß markt- und betriebswirtschaftliche Aspekte unter Einschluß der hier in Rede stehenden Berechnungsregel gegenüber den eingesetzten Naturkräften im Vordergrund stehen. Zunächst ist der erstrebte Erfolg betriebswirtschaftlicher Art. Sodann liefern die markt- und betriebswirtschaftlichen Faktoren den wesentlichen Beitrag zu der Ermittlung des Steuerkriteriums. Dies zeigt sich daran, daß gleiche Naturkräfte und damit gleiche Meßwerte von Treibstoffdurchsatz und Geschwindigkeit je nach dem relativen Übergewicht von  Treibstoffkosten oder Flugzeitkosten zu verschiedenen Flugzuständen als Ergebnis der Regelung führen können.

Mit dem nicht-technischen Kern falle gemäß BGH die Technizität des gesamten Anspruchsgegenstands:

Bei dieser Sachlage rechtfertigt es die Mitursächlichkeit der eingesetzten Naturkräfte nicht, der Gesamtheit der Lehre einen technischen Charakter im Sinne der zitiertet Senatsrechtsprechung zuzubilligen.

Es sei keine neue Brauchbarkeit gelehrt:

Der technische Charakter der beanspruchten Lehre kann entgegen der Ansicht des Bekl. weder daraus hergeleitet werden, daß es sich im Kern um eine besondere (neue) Betriebsweise (Verwendung) eines Flugzeugs handele noch daraus, daß die im Flugzeug vorhandenen Meßgeräte für den Treibstoffdurchsatz und die Geschwindigkeit eine neue Verwendung erführen.

Dem Gegenstand des Hilfsantrags stünden dieselben Gründe entgegen.

9.4 Kernaussagen des BGH

Wie in fast jeder Entscheidung seit “Dispositionsprogramm” (hier Entscheidung Nr. 2) bestätigt der BGH Patentschutz auch für nicht-technische Zwecke:

“Es steht dem Patentschutz nicht entgegen, daß dieser Nutzeffekt der Lehre nicht auf technischem, sondern auf betriebswirtschaftlichem Gebiet liegt (vgl. BGH in GRUR 1966, 249 , 250 – Suppenrezept; BGH in GRUR 1967, 590 – Garagentor; BGHZ 67, 22, 25 – Dispositionsprogramm).”

Die Anwendung der Kerntheorie für die Analyse der Technizität einer Lehre sei zwingend:

Entscheidend ist vielmehr, welches der sachliche Gehalt der beanspruchten Lehre ist, auf welchem Gebiet ihr Kern liegt. Ist Kern der Lehre die Auffindung einer Regel, deren Befolgung den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte außerhalb des menschlichen Verstandes nicht gebietet, dann ist sie nicht technisch, auch wenn zu ihrer Ausführung der Einsatz technischer Mittel zweckmäßig oder gar allein sinnvoll, d. h. notwendig erscheint und auf den Einsatz dieser technischen Mittel in den Ansprüchen oder in der Patentschrift hingewiesen ist (vgl. BGH in Bl.f.PMZ 1977, 341 Prüfverfahren 3; BGH – Dispositionsprogramm; BGH – Walzstabteilung).”

Der identifizierte Kern muss direkt den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte kontrollieren:

“Vielmehr muß das Ergebnis, der kausal übersehbare Erfolg, die unmittelbare Folge des Einsatzes beherrschbarer Naturkräfte sein (vgl. BGH in GRUR 1981, 39 Walzstabteilung; BGH in GRUR 1977, 152 Kennungsscheibe; BGH in GRUR 1975, 549 Buchungsblatt), d.h. die Verwendung technischer Mittel muß nicht nur Bestandteil der Problemlösung selbst sein, sondern die beanspruchte Lehre muß in ihrem technischen Aspekt auch eine vollständige Problemlösung bieten (BGHZ 67, 22, 27 1; BGH in GRUR 1978, 420 , 422 Sp. – Fehlerortung).” 

9.5 Einordnung

Die zu prüfende Erfindung in der Entscheidung “Flugkostenminimierung” wies prinzipielle Ähnlichkeiten zur Erfindung in der Entscheidung “Walzstabteilung” (hier Entscheidung Nr. 8) auf. Beide umfassten betriebswirtschaftliche und technische Merkmale. Durch konsistente Anwendung der Kerntheorie gelangte der BGH zu ähnlichen Ergebnissen – und stand am Ende vor ähnlichen Problemen.

Die Kerntheorie zwang zur subjektiven Bewertung nicht-technischer und technischer Effekte. Was gehörte zum “Kern” der Erfindung und was “dient[e]” nur der Erfindung oder war nur “sprachliche Einkleidung” und war deshalb bei der Bewertung außer Acht zu lassen? Entsprechend des Ergebnisses war dann der gesamte beanspruchte Gegenstand – nicht nur der Kern – als technisch oder nicht-technisch zu bezeichnen.

Dadurch konnte sich – wie im vorliegenden Fall – eine Divergenz ergeben zwischen dem rechtlichen Begriff “Technizität”/”technisch” und dem herkömmlichen Sprachgebrauch bzw. dem Sprachgebrauch technischer Experten. Deutlicher als im Leitsatz konnte das kaum hervortreten. Denn dort wurde nichts anderes vorgegeben, als bestimmte automatische Steuerungsverfahren für Flugzeuge rechtlich als nicht-technisch zu qualifizieren. Zumindest aus heutiger Sicht erscheint das sehr befremdlich.

 

10. Die BGH-Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen”, 1991

Die Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen” (BGH, GRUR 1992, 36) betraf eine Erfindung zur effizienten Eingabe von chinesischen Schriftzeichen in einen Computer auf Basis phonetischer Information.

10.1 Leitsätze

Es fehlt an einer Lehre zum technischen Handeln, wenn der Erfolg der zum Patentschutz angemeldeten Lehre mit gedanklichen Maßnahmen des Ordnens der zu verarbeitenden Daten steht und fällt.

10.2 Streitgegenständlicher Anspruch

Ein Verfahren zur Eingabe chinesischer Zeichen in Textsysteme,
(1) wobei das Textsystem mindestens folgende gegenständlichen Merkmale aufweist:
(1.1) eine Eingabetastatur,
(1.2) eine Steuer- und Speichereinheit mit
(1.2.1) einem ersten Speicher (SP1),
(1.2.2) einem zweiten Speicher (SP2),
(1.2.3) einem dritten Speicher (SP3), (1.2.4) einem vierten Speicher (SP4), (1.3) eine Anzeigeeinheit (D)
(1.4) und/oder ein Druckwerk (DW), (2) und in den Speichern folgende Informationen gespeichert sind:
(2.1) im ersten Speicher (SP1)
(2.1.1) Kennzeichen von Zeichen, und zwar
(2.1.1.1) die phonetischen Kennzeichen
(2.1.1.2) und bedarfsweise die graphischen Kennzeichen (G)
(2.1.2) als Adressen unter fortlaufenden Ordnungszahlen (1 bis 104 )entsprechend der Häufigkeit ihres Auftretens in der chinesischen Sprache,
(2.2) im zweiten Speicher (SP2)
(2.2.1) Zeichenfolgen (Wörter) der im ersten Speicher (SP1) gespeicherten Zeichen
(2.2.1.1) mit mindestens zwei Zeichen,
(2.2.1.2) nach der Häufigkeit des ersten Zeichens geordnet, (2.2.2) in jedem adressierten Speicherbereich die zu Gruppen (G1 bis G4) zusammengefaßten Zeichenfolgen,
(2.2.2.1) wobei die Gruppen umfassen
(2.2.2.1.1) G1 die Zeichenfolgen mit zwei Zeichen,
(2.2.2.1.2) G2 die Zeichenfolgen mit drei Zeichen, (2.2.2.1.3) G3 die Zeichenfolgen mit vier Zeichen, (2.2.2.1.4) G4 die Zeichenfolgen mit fünf Zeichen, (2.2.2.2) und innerhalb jeder Gruppe die Zeichenfolgen jeweils nach Häufigkeit geordnet sind,
(2.2.2.3) als Kombination der Ordnungszahlen (1 bis 104 ), die die Adressen des ersten Speichers bilden,
(2.3) im dritten Speicher (SP3)
(2.3.1) Informationen (TZN, TZL) für Teilzeichen (TZ), die ein Zeichen bilden,
(2.3.2) unter den Adressen (1 bis 104 ) des ersten Speichers (SP1),
(3) mit folgenden Verfahrensschritten:
(3.1) mittels der Tasten der Eingabetastatur (ET) werden sowohl für Einzelzeichen als auch für Wörter bildende Zeichenfolgen eingegeben:
(3.1.1) phonetische Kennzeichen (PV, PE, B),
(3.1.2) und/oder graphische Kennzeichen (G), (3.2) im ersten Speicher findet entsprechend den eingegebenen Kennzeichen (PV, PE, B, G) jeweils ein assoziativer Suchvorgang nach zugehörigen Zeichen statt,
(3.3) die Adressen (ADR) der dabei ermittelten Zeichen werden als Ordnungszahlen (1 bis 104 ) festgestellt,
(3.4) mit einer solchen Adresse (1 bis 104 ) werden der zweite und der dritte Speicher (SP2, SP3) angesteuert,
(3.5) nach Adressierung eines Bereichs im zweiten Speicher (SP2) durch die dem ersten Zeichen einer Gruppe (G1 bis G4) zugeordnete Adresse (z.B. 99) werden
(3.5.1) die Kombination jeweils einer Gruppe (G1 bis G5) von Zeichen ausgelesen und
(3.5.2) aufeinanderfolgend verglichen mit den Adressen weiterer Zeichen (z.B. 99/13), die ermittelt worden sind
(3.5.2.1) im ersten Speicher (SP1)
(3.5.2.2) aufgrund aufeinanderfolgender Eingabe weiterer Kennzeichen (PV, PE, B, G),
(3.6) bei positivem Vergleichsergebnis dient die ermittelte Kombination (z.B. 99/13) zur Adressierung des dritten Speichers (SP3),
(3.7) die aus den adressierten Bereichen (z.B. 99, 13) des dritten Speichers (SP3) ausgelesene Information (TZN, TZL) dient zur Adressierung des vierten Speichers (SP4),
(3.8) über den vierten Speicher (SP4) werden die der ermittelten Kombination (z.B. 99, 13) entsprechenden Informationen (DI) angeboten
(3.9) der Anzeigeeinheit (D)
(3.10) und/oder dem Druckwerk (DW).

10.3 Streitverlauf

Vorliegend wurde ein Patent von der Prüfungsstelle mangels Technizität des Gegenstandes des Hauptanspruchs versagt. Das BPatG bestätigte diese Entscheidung. Auf die Rechtsbeschwerde bestätigte auch der BGH die Entscheidung des Patentamtes.

Das BPatG hatte nach Anwendung der Kerntheorie den Erfindungsgedanken in einer Organisation- und Verarbeitungsregel gesehen. Diese stelle sich nur als Computerprogramm für ein Textsystem dar.

Der technischer Vorteil, nämlich die Verringerung von Zugriffszeit und die Erhöhung der Geschwindigkeit des Berechnungsvorgangs in einem Computer mache ein nicht-technisches System nicht zu einem technischen. Weder sei ein erfinderischer Aufbau noch eine erfinderische Benutzung gelehrt. Lediglich eine Informationsverarbeitung ohne Auswirkung auf die physikalische Umwelt finde statt. Die Erfindung erschöpft sich in der vorteilhaften Ermittlung von chinesischen Schriftzeichen auf Basis ihrer phonetischen Merkmale. Dies sei jedoch allein eine gedanklich-logische Anweisung, welche durch Verwendung technischer Mittel nicht technisch werde.

Das BPatG erkannte darin eine Software “als solche”, gemäß § 1 Abs. 3 und Abs. 4 PatG 1981.

Die Anmelderin beschwerte sich. Das BPatG habe mittels der Kerntheorie die Erfindung zu stark abstrahiert. Es habe die spezifischen Anweisungen zu Speicherverwaltung sowie Such- und Adressiervorgängen und zur Ansteuerung des Druckwerks zu wenig gewürdigt. Für die Technizität des Verfahrens spreche auch dessen Realisierbarkeit durch eine festverdrahtete Schaltungsanordnung.

Der BGH folgte dem nicht und gab dem BPatG Recht.

Dabei sah der BGH das der Erfindung zugrunde liegende Problem als eine Reduktion des Speicherplatzbedarfs bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitsgeschwindigkeit, insbesondere durch Verringerung der Zugriffszeiten des ausführenden Computers.

Mangels einer gesetzlichen Grundlage für Technizität verwies der BGH auf die eigene Rechtsprechung:

Ebenso wie § 1 PatG 1968 verhält sich die auf die Anmeldung anwendbare Regelung nicht darüber, daß Patentschutz nur für Erfindungen auf dem Gebiet der Technik gewährt wird. Der beschließende Senat hat dies für die vor Inkrafttreten des harmonisierten Patentrechts geltende Rechtslage in ständiger Rechtsprechung bejaht (BGHZ 52, 74 ff. 1 – Rote Taube; BGHZ 67, 22, 27 ff. 2 – Dispositionsprogramm; BGH GRUR 1986, 531 , 533 Flugkostenminimierung). Er hat dies damit begründet, daß der Begriff der Technik das einzige brauchbare Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen geistigen Leistungen des Menschen sei, denen Patentschutz nicht zukomme (BGHZ 67, 22, 33 2 – Dispositionsprogramm). Hieran hat das PatG 1981 nichts geändert.

So sehen das auch die Beschwerdekammern des EPA: sie verlangen, daß der Gegenstand, für den Patentschutz begehrt wird, eine technische Aufgabe mit technischen Mitteln löse oder einen technischen Beitrag zum Stand der Technik leiste (CR 1991, 21 ff. – Schriftzeichenform/SIEMENS; GRUR Int. 1990, 465 ff. – Zusammenfassung und Wiederauffinden von Dokumenten/IBM)“.

Der BGH prüfte das betreffende Auschlusskriterium in § 1 Abs. 3 und Abs. 4 PatG 1981 nicht mehr. Denn er sah Technizität der Erfindung nicht gegeben an.

Gemäß der Kerntheorie analysierte er:

Im Vordergrund des Anmeldungsgegenstandes steht die Ordnung der chinesischen Zeichen nach ihren Kennzeichen, Zeichenfolgen und Teilzeichen in bestimmte Bereiche und innerhalb dieser Bereiche nach weiteren Kriterien, die durch eine Auswahl, Einreihung und Einordnung von Bedeutungsinhalten (Adressen) erfolgt. Dieses Ordnungssystem ist gedanklicher Art und bedient sich keiner Mittel, die sich außerhalb der menschlichen Verstandestätigkeit auf technischem Gebiet befinden“.

Die in den Anspruch aufgenommenen weiteren Merkmale, wie Eingabetastatur, Steuer- und Speichereinheit, Anzeige und Druckwerk, Eingabe, die Ordnung des Speicherns, das Suchen, Auslesen, Vergleichen, das Anzeigen und die Leitung der Zeichen zum Druckwerk sind für den Erfolg der Lehre von untergeordneter Bedeutung.

Der Erfolg der beanspruchten Lehre steht und fällt mit den gedanklichen Maßnahmen des Ordnens der verarbeiteten Daten.

Ausdrücklich grenzte sich der Senat von der am gleichen Tag ergangenen Entscheidung “Seitenpuffer” (hier Entscheidung Nr. 11) ab:

Im Gegensatz zu dem der zur Veröffentlichung in der amtlichen Sammlung bestimmten Entscheidung “Seitenpuffer” vom selben Tage (X ZB 13/88 3 ) zugrunde liegenden Sachverhalt betrifft die Lehre der vorliegenden Anmeldung nicht die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche, da sie nicht darin besteht, das unmittelbare  Zusammenwirken ihrer Elemente zu ermöglichen.

Nochmals formuliert er rigoros nach der Kerntheorie:

Die im Patentanspruch genannten gegenständlichen Merkmale der Datenverarbeitungsanlage geben der Lehre nicht das entscheidende Gepräge, die mit den gedanklichen Maßnahmen des Ordnens der verarbeiteten Daten steht und fällt.”

10.4 Kernaussagen des BGH

Die vom BPatG getroffene Aussage, dass ein technischer Vorteil (Speicherplatzreduktion, Zugriffszeitverringerung, etc.) ein nicht-technisches Programm nicht zu einem technischen mache, blieb vom BGH unkommentiert.

Die Kerntheorie sei die maßgebliche Methode zur Analyse der Technizität einer Erfindung. Technizität stellt ein notwendiges Kriterium für die Patentierbarkeit einer Erfindung dar.

10.5 Einordnung

Die Argumente der Patentinhaberin trafen die Kerntheorie an einer schwachen Stelle. Mit welchen Merkmalen die beanspruchte Erfindung “steht und fällt” und welche Merkmale von “untergeordneter Bedeutung” sind wurde nicht anhand objektiver Kriterien festgestellt. Die Entscheidung, ob eine Erfindung technisch oder nicht-technisch ist, basierte letztendlich auf einer subjektiven, kaum vorhersagbaren Abstraktion des in der Patentanmeldung beschriebenen Gegenstandes durch den BGH (oder, falls der Rechtsstreit nicht bis dorthin vordrang, durch das BPatG oder sogar das DPA).

Unklarheit bestand auch über die weitere Prüfung des mittels Kerntheorie identifizierten Erfindungskerns. Das BPatG hatte den identifizierten Erfindungskern auf Basis des Ausschlusskriteriums gemäß § 1 Abs. 3 und Abs. 4 PatG 1981 von einer Patentierung ausgeschlossen, weil es darin ein Computerprogramm “also solches” erkannte (auch wenn ein “solches” nicht allein beansprucht war). Der BGH hingegen prüfte den Erfindungskern gemäß richterrechtlicher Technizität und ließ das Ausschlusskriterium dahinstehen.

Auch die vom BGH unwidersprochene BPatG-Aussage, dass ein technischer Vorteil ein nicht-technisches Programm nicht zu einem technischen mache, erscheint zumindest aus heutiger Sicht verwirrend. Denn der technische Vorteil wird aus dem Betreiben des Computers mit dem Programms erzeugt, nicht aus dem Programm alleine. Der Vorteil könnte – wie von der Patentinhaberin vorgetragen – auch durch einen Schaltungsaufbau komplett in Hardware erreicht werden – würde auch dann ebenfalls keine Technizität vorgelegen haben? Ohne weitere Erläuterung war diese Aussage des BPatG jedenfalls unbefriedigend.

 

11. Die BGH-Entscheidung “Seitenpuffer”, 1991

Die Entscheidung “Seitenpuffer” (BGH, GRUR 1992, 33) wurde am gleichen Tag wie die zuvor beschriebene Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen” veröffentlicht. Die Ergebnisse der Prüfung nach der Kerntheorie waren jedoch unterschiedlich.

11.1 Leitsätze

1. Eine programmbezogene Lehre ist technisch, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht (Ergänzung zu BGHZ 67, 22, 291, Dispositionsprogramm).

2. Ein Verfahren, das in der Erfassung und Speicherung der Information über den aktuellen Speicherbereich eines in einer Datenverarbeitungsanlage ablaufenden Rechenprozesses und in einer bestimmten Ladestrategie für einen dem bevorzugten Zugriff unterliegenden, aber nur eine Auswahl von Speicherseiten fassenden Speicher (Seitenpuffer) besteht, betrifft die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche; es enthält die Anweisung, die Elemente einer Datenverarbeitungsanlage beim Betrieb unmittelbar auf bestimmte Art und Weise zu benutzen.

3. Ob eine Lehre zum technischen Handeln vorliegt, hängt nicht davon ab, ob die Lehre neu, fortschrittlich und erfinderisch ist.

11.2 Streitgegenständlicher Anspruch

a) Verfahren zum Betreiben eines hierarchisch gegliederten, mehrstufigen Arbeitsspeichersystems einer simultan mehrere Prozesse bearbeitenden datenverarbeitenden Anlage,
b) dessen zwei niederste Speicherstufen aus einem alle Daten der simultan ablaufenden Prozesses enthaltenden Hauptspeicher
c) und aus einem nur eine Auswahl von Speicherseiten umfassenden Seitenpuffer bestehen,
d) zu dem gesteuert durch eine Speichersteuereinheit bevorzugt zugegriffen wird und in den eine bei einem Speicherzugriff fehlende Speicherseite übertragen wird,
dadurch gekennzeichnet,
e) daß beim Ablauf eines Prozesses jede Anforderung auf einen Speicherzugriff zum Seitenpuffer (SSP) in der Speichersteuereinheit (SST) durch Zwischenspeichern der Adresse (MA, SLP) der ausgewählten Speicherseite (Sm; m = 1 bis 32) registriert und damit der aktuelle Speicherbereich des laufenden Prozesses ermittelt wird,
f) daß die zwischengespeicherten Seitenadressen bei einem Prozeßwechsel in den Hauptspeicher (HSP) übertragen werden,
g) daß bei einer späteren erneuten Aktivierung des Prozesses durch einen Prozessor (ZP) der datenverarbeitenden Anlage aus dem Hauptspeicher zunächst die Information über den bisher aktuellen Speicherbereich ausgelesen und mit diesen gespeicherten Seitenadressen sequentiell die zugeordneten Speicherseiten im Hauptspeicher ausgewählt und in den Seitenpuffer übertragen werden,
h) sofern sie inzwischen beim Verarbeiten anderer Prozesse daraus verdrängt wurden und
i) daß nach dem Bereitstellen des bisher aktuellen Speicherbereichs des zu aktivierenden Prozesses im Seitenpuffer dieser Prozeß unbehindert durch Seitenwechselanforderungen abläuft, solange sich der aktuelle Speicherbereich nicht ändert,
j) wobei solche durch Anforderungen bisher nicht benötigter Speicherseiten bedingten Änderungen des aktuellen Speicherbereichs wieder in der Speichersteuereinheit registriert werden.

11.3 Streitverlauf

Das Patent wurde im Einspruchsverfahren mangels Technizität versagt. In der Einspruchsbeschwerde hatte das BPatG den Mangel an Technizität bestätigt. Es war der Meinung, wie in der Entscheidung “Dispositonsprogramm” sei die Lehre auf die Auswahl, Gliederung und Zuordnung von Informationen gerichtet und erschöpfe sich in einer gedanklich-logischen Anweisung in Form einer Organisationsregel.

Der Rechtsbeschwerde vor dem BGH war auch der Präsident des DPA beigetreten – auf Seiten der Patentinhaberin.

In der Rechtsbeschwerde argumentierte die Patentinhaberin, durch die Festlegung der Reihenfolge der Mikrobefehle und der Aneinanderreihung zu Programmen (Software) ergäben sich bei ein und derselben Geräteanordnung (Hardware) die verschiedendsten schaltungstechnischen Möglichkeiten, ohne daß die noch bestehende Verdrahtung (Hardware) als solche geändert werden müsse. Dieselbe schaltungstechnische Lösung könne als fest verdrahtete Anordnung oder als programmierte Anordnung verwirklicht werden. Die Anmelderin meinte, es dürfe keine Rolle spielen, ob nur die Hardware, nur die Software oder beide eine Problemlösung verwirklichten.

Zudem erschöpfe sich die Lehre nicht in einer bloßen Organisationsregel, weil deren Umsetzung in der Datenverarbeitungsanlage eine Steuerungsfunktion innerhalb des beanspruchten Verfahrens auslöse. Damit sei eine neue Brauchbarkeit der Datenverarbeitungsanlage verbunden.

Der Präsident des DPA trug zum bestimmungsgemäßen Gebrauch einer bekannten Anlage vor. Für neue oder sogar erfinderische Programmabläufe einer bekannten Anlage könne kein bestimmungsgemäßer Gebrauch stattfinden. Dies wäre ein Widerspruch in sich. Konsequenterweise wäre ein neuer Programmablauf (i.e. eine neue Fähigkeit oder eine neue Nutzung des Computers) auch immer ein neuer Gebrauch eines Computers und damit technisch.

Der BGH sah die Erfindung ausgehend von dem Problem…

… den Seitenpuffer einer simultan mehrere Prozesse bearbeitenden Datenverarbeitungsanlage mit einem hierarchisch gegliederten, mehrstufigen Arbeitsspeichersystem, auf den schnell zugegriffen werden kann, der aber nur über eine begrenzte Speicherkapazität verfügt, optimal für die gerade zu bearbeitenden Prozesse mit  Speicherseiten aus dem alle Daten enthaltenden Hauptspeicher zu belegen, auf den nur ein langsamerer Zugriff möglich ist.

Auf Basis dieses Problems und auf Basis der Technikdefinition aus der Entscheidung “Rote Taube” (hier Entscheidung Nr. 1) kassierte der BGH die Auffassung des BPatG und stellte Technizität der beanspruchten Erfindung fest.

11.4 Kernaussagen des BGH

In der Entscheidung “Dispositionsprogramm” (hier Entscheidung Nr. 2) hatte der BGH ausgeführt, die Lehre, eine Datenverarbeitungsanlage nach einem bestimmten Rechenprogramm zu betreiben, könne nur dann patentfähig sein, wenn das Programm einen neuen, erfinderischen Aufbau einer solchen Anlage erfordere und lehre oder wenn ihm die Anweisung zu entnehmen sei, die Anlage auf eine neue, bisher nicht übliche und auch nicht naheliegende Art und Weise zu benutzen.

Diese Aussage bedürfe laut BGH der Klarstellung.

Für die Frage, ob der Anmeldungsgegenstand eine Lehre zum technischen Handeln zum Inhalt hat, ist ohne Bedeutung, ob die Lehre neu, fortschrittlich und erfinderisch ist. Eine programmbezogene Lehre ist technisch, wenn sie die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht.

Eine DV-Anlage mit einer besseren Ausnutzung des Arbeitsspeichers oder mit kürzeren Speicherzeiten ist technisch:

Zwar ist nicht erkennbar, daß sich durch die beanspruchte Lehre für die Datenverarbeitungsanlage  Einsatzmöglichkeiten zu anderen als den bisher gegebenen Zwecken eröffnet hätten; die Anmelderin macht das auch nicht geltend. Die Lehre ermöglicht es aber, eine Datenverarbeitungsanlage unter besserer Ausnutzung des Arbeitsspeichers und mit kürzeren Speicherzugriffszeiten zu betreiben. Da dies durch die unmittelbare Benutzung der Elemente der Datenverarbeitungsanlage auf eine bestimmte Art und Weise erfolgt, kann der technische Charakter der Lehre nicht verneint werden.

11.5 Einordnung

Mit seiner Klarstellung, dass Technizität und Neuheit/Erfindungshöhe unabhängig voneinander zu betrachten sind, brach der BGH mit einer in der Entscheidung “Dispositionsprogramm” aufgestellten Anforderung, nämlich der Beitragstheorie. Die Abkehr von der Beitragstheorie hatte er schon fünf Jahre zuvor in der Entscheidung “Antiblockiersystem” formuliert – damals allerdings nicht in einem Leitsatz.

Auch die Verwendung der Kerntheorie wird in dieser Entscheidung nicht besonders herausgestellt. Die Kerntheorie verkürzte er auf die Anforderung das Kriterium der Technizität (gemäß “Rote Taube) bei Rechen und Organisationsregeln unabhängig ihrer sprachlichen Einkleidung zu prüfen:

[Der Senat] hat eine Lehre zum technischen Handeln in einer Anweisung zum planmäßigen Handeln unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs gesehen, und dies bei bloßen Rechen- und Organisationsregeln unabhängig von ihrer sprachlichen Einkleidung verneint (BGHZ 67, 22, 27 1 – Dispositionsprogramm; BGH GRUR 1977, 657 , 658 Straken; GRUR 1978, 102 f. – Prüfverfahren; GRUR 1980, 849 f. Antiblockiersystem; BGHZ 78, 98 f. 3 – Walzstabteilung; GRUR 1986, 531 , 533 Flugkostenminimierung). An diesen Grundsätzen hält er fest.

Die Kerntheorie war also nicht mehr der umfassende Ausgangspunkt zur Prüfung der Technizität wie noch in der Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen” zuvor.

 

12. Die BGH-Entscheidung “Tauchcomputer”, 1992

Die Entscheidung “Tauchcomputer” (GRUR 1992, 430) bildet den Abschluss des zweiten Teils dieser Retrospektive. Mit ihr wurden die Beitragstheorie nochmals und die Kerntheorie erstmals aufgegeben. Sie bildet damit eine Zäsur in der Geschichte der Rechtssprechung zu Softwarepatenten.

12.1 Leitsätze

1. (nicht zu Technizität)

2. Wer Tiefenmesser, Zeitmesser, Datenspeicher, Auswerte- und Verknüpfungsstufe, Wandlereinrichtung sowie Anzeigemittel nach einer bestimmten Rechenregel (Programm oder Denkschema), d. h. in Abhängigkeit der anzuzeigenden Gesamtauftauchzeit von durchtauchten Tiefen und Zeiten, betreibt und es ermöglicht, mit Hilfe von Meßgeräten ermittelte Meßgrößen in der Anzeigeeinrichtung automatisch ohne Einschaltung der menschlichen Verstandestätigkeit anzuzeigen, gibt eine Lehre zum technischen Handeln.

3. Enthält eine Erfindung technische und nichttechnische Merkmale, so ist bei deren Prüfung auf erfinderische Tätigkeit der gesamte Erfindungsgegenstand unter Einschluß einer etwaigen Rechenregel zu berücksichtigen.

12.2 Streitgegenständlicher Anspruch

a) Anzeigeeinrichtung für die Parameter eines Tauchganges, wie z. B. aktuelle Tiefe, maximal getauchte Tiefe, bisherige Tauchzeit oder dergleichen, die über
b) wenigstens einen Speicher für die Dekompressionsparameter bei einer Reihe von Tauchtiefen und -zeiten, und
c) eine Auswerte- und Verknüpfungsstufe für die gemessenen Werte des Tiefen- und des Zeitmessers mit den im Speicher gespeicherten Werten angesteuert ist, dadurch gekennzeichnet,
d) daß in jedem Zeitpunkt des Tauchganges die in Abhängigkeit von den durchtauchten Tiefen und Zeiten erforderliche Gesamtauftauchzeit inklusive der vorgeschriebenen Dekompressionshalte anzeigbar ist und/oder
e) eine Wandlereinrichtung (5) für die Umwandlung der jeweils aktuellen Grundzeit (Verweilzeit in der jeweiligen Tauchtiefenstufe) beim Eintritt in eine neue Tauchtiefenstufe in die dieser neuen Tauchtiefenstufe äquivalente Grundzeit vorgesehen ist, die jener Zeit entspricht, während welcher der Taucher sich an der maximalen Tiefe seines Tauchprofiles befunden hätte.

12.3 Streitverlauf

Auf eine Nichtigkeitsklage hin widerruf das BPatG das Patent, weil es die beanspruchte Lehre als nicht technisch erachtete. Dabei argumentierte es auf Basis der Beitragstheorie und der Kerntheorie:

Es handele sich lediglich um eine bisher nicht vorgenommene Interpretation des Tauchganges. Das Auffinden und Nutzen eines bisher nicht erkannten Informationsgehalts der Tauchtabellen sei im Kern ein untechnisches Denkschema. Das Gebiet der Technik werde erst nach der Lösung des eigentlichen Problems betreten, die im Auffinden der Auswertemethode für Tauchtabellen bestehe.”

Auch das letzte Merkmal e), welches definiert, wie die Gesamtauftauchzeit von den Durchlauchten Tiefen und Zeiten abhängt…

“… sei im Kern nur ein besonderes Vorgehen beim Auswerten der Tauchtabellen. Auch wenn das mittels der bei Tauchcomputern bereits vorhandenen Wandlereinrichtung erfolgen solle, liege der Kerngedanke auch hier in der besonderen Interpretation und Auswertung der aus den Tauchtabellen stammenden Daten, was nicht zum Gebiet der Technik gehöre.

Die beanspruchten technischen Mittel erachtete das BPatG nur als eine Umschreibung, die nicht den Kern der Erfindung bilde:

Die genannten technischen Mittel vom Tiefenmesser bis zur Anzeige dienten nur als Grundlage für die den Kern der Erfindung bildende besondere Art und Weise der Interpretation und Auswertung bekannter Tauchtabellen. Auch die automatische Ermittlung und Anzeige der Gesamtauftauchzeit begründe keinen technischen Charakter des Patentgegenstandes, sondern sei nur die andersartige Interpretation und Auswertung der Tauchtabellen, bei der der Einsatz beherrschbarer Naturkräfte keine Rolle spiele.

Der BGH kritisierte dieses Vorgehen des BPatG mit deutlichen Worten:

Diese Betrachtung des Erfindungsgegenstandes ist zu einseitig auf die neuartige Berechnung der Gesamtauftauchwerte anhand der Dekompressionsparameter fixiert. Sie zieht nicht gebührend die gesamten technischen Mittel vom Tiefenmesser über die Speicher und Wandler bis zur Anzeige in Betracht, die die Dekompressionsbedingungen automatisch anzeigen.

Beansprucht sei laut BGH vielmehr eine enge Beziehung der Rechenregel (Programm, Denkschema) mit denen im Anspruch genannten Mitteln, wie Anzeige, Speicher, Auswerte- und Verknüpfungsstufe, Wandler, Tiefen- und Zeitmesser.

Der BGH erkannte eine technische Lehre:

“[Der BGH] sieht eine Lehre zum technischen Handeln darin, daß mit einem Betrieb von Tiefen- und Zeitmesser, Datenspeicher, Auswerte- und Verknüpfungsstufe, Wandlereinrichtung sowie Anzeigemittel nach einer bestimmten Rechenregel (Programm oder Denkschema) ermöglicht wird, mit Hilfe von Meßgeräten ermittelte Meßgrößen in der Anzeigeeinrichtung automatisch ohne Einschaltung menschlicher Verstandestätigkeit anzuzeigen.

12.4 Kernaussagen des BGH

Wie auch in der vorherigen Entscheidung “Seitenpuffer” (hier Entscheidung Nr. 11) wies der Beitragstheorie zurück (vgl. 3. Leitsatz):

Der ständige Blick des BPatG auf das, was bekannt war, und auf das, was neu oder neuartig war, hat den Blick auf eine unbefangene Wertung verstellt.

Der BGH mahnte ausdrücklich bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit den gesamten Anspruchsgegenstand zu prüfen, inklusive nicht-technischer Merkmale, wenn diese mit technischen Merkmalen “verknüpft” sind:

Bei der Prüfung von Erfindungen, die Merkmale technischer Natur mit Merkmalen nichttechnischer Art verknüpfen, auf erfinderische Tätigkeit muß der genannte Erfindungsgegenstand unter Einschluß der etwaigen Rechenregel berücksichtigt werden. Es darf der Erfindungsgegenstand nicht zerlegt und dann nur der Teil der Erfindung auf erfinderische Tätigkeit, d. h. Naheliegen, geprüft werden, der aus den technischen Merkmalen besteht. Das bedeutet im vorliegenden Falle, daß auch die neuartige Rechenregel, die das BPatG als neue Interpretation an sich bekannter Tauchtabellen (Denkschema) bezeichnet hat, zusammen mit den technischen Merkmalen in die Prüfung auf erfinderische Tätigkeit einzubeziehen ist.

12.5 Einordnung

In der Entscheidung “Tauchcomputer” wies der BGH nochmals die Beitragstheorie zurück. Dies hatte er zwar schon in der Entscheidung “Antiblockiersystem” (hier Entscheidung Nr. 7) und – per Leitsatz – in der Entscheidung “Seitenpuffer” (hier Entscheidung 11) getan. Allerdings schien das BPatG dieser neuen Vorgabe noch nicht folgen zu wollen.

Als rechtliche Innovation verabschiedete er erstmals auch die Kerntheorie. Er mahnte ausdrücklich bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit den gesamten Anspruchsgegenstand zu prüfen, inklusive nicht-technischer Merkmale, wenn diese mit technischen Merkmalen “verknüpft” sind. Mit dieser Wortwahl stellte er sich direkt gegen den Leitsatz seiner vorherigen Entscheidung “Flugkostenminimierung” (hier Entscheidung Nr. 9).

Damit waren die zwei wesentlichen Prüfungsmethodiken, die durch die Entscheidung “Dispositionsprogramm” (hier Entscheidung Nr. 1) eingeführt wurden, Geschichte. Eine neue Methodik war noch nicht vollständig formuliert. Allerdings hatte zukünftig die Feststellung einer Erfindung auf Basis aller Anspruchsmerkmale zu umfassen, sofern diese technisch oder mit technischen Merkmalen verknüpft waren.

Nach der wegweisenden Entscheidung “Tauchcomputer” ruhte die Rechtsprechung zu Softwarepatenten einige Jahre. Der dritte Teil der Retrospektive wird mit einer Entscheidung aus dem Jahr 1999 beginnen.

 

Autor: Dr. Martin Kuschel

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