Softwarepatente bewegen die Welt. Oft umstritten basiert heute dennoch ein hoher Anteil Patente in irgendeinem Aspekt auf Software. Grund genug sich die frühe Entwicklung der Rechtssprechung zu Softwarepatenten genauer anzusehen.
In Teil 3 der Retrospektive zur frühen Rechtssprechung von Softwarepatenten werden sieben Entscheidungen aus den Jahren zwischen 1999 bis 2004 vorgestellt. In diesen Entscheidungen bestätigt der BGH die Aufgabe der Kerntheorie. Zudem konkretisierte er in der Entscheidung “Logikverifikation” Typen Software-basierter Erfindungen, die technisch sind. Er betonte dabei mehrmals die Offenheit des rechtlichen Konzepts der Technizität, um moderne Technologien nicht auszuschließen. Schließlich konkretisierte er auch die Ausschlusskriterien §1 (3), (4) PatG. In der Gesetzesänderung 2007 konnte das Kriterium der Technizität schließlich als allgemein gültiges Abgrenzungskriterium (“auf allen Gebieten der Technik”) aufgenommen werden.
In Teil 1 (hier verlinkt)
1. Rote Taube, 1969
2. Dispositionsprogramm, 1976
3. Straken, 1977
4. Prüfverfahren, 1977
5. Kennungsscheibe, 1977
6. Fehlerortung, 1978
7. Antiblockiersystem, 1980
In Teil 2 (hier verlinkt)
8. Walzstabteilung, 1980
9. Flugkostenminimierung, 1986
10. Chinesische Schriftzeichen, 1991
11. Seitenpuffer, 1991
12. Tauchcomputer, 1992
In Teil 3:
13. Automatische Absatzsteuerung, 1999
14. Logikverifikation, 2000
15. Sprachanalyseeinrichtung, 2000
16. Suche fehlerhafter Zeichenketten, 2001
17. elektronischer Zahlungsverkehr, 2004
18. Anbieten interaktiver Hilfe, 2004
19. Rentabilitätsermittlung, 2004
13. Die BPatG Entscheidung “Automatische Absatzsteuerung”
Die Entscheidung “Automatische Absatzsteuerung” (BPatG, GRUR 1999, 1078) zeigt den Umgang des Patentgerichts mit Softwareerfindungen nach der Aufgabe der Kerntheorie. Seit der Entscheidung “Tauchcomputer” (hier Entscheidung Nr. 12) waren keine relevanten BGH Entscheidungen zu Softwarepatenten erfolgt. Die Abwesenheit von Beschwerden oder Berufungen an das höchste Gericht konnte als Rechtssicherheit interpretiert werden. Das BPatG schien sich schnell an die neuen Vorgaben nach Aufgabe der Kerntheorie angepasst zu haben. Allerdings war das DPMA der veralteten Methodik auch über fünf Jahre nach der Entscheidung “Tauchcomputer” noch verhaftet, wie die 13. vorgestellte Entscheidung zeigt.
13.1 Leitsätze
1. Bei einem “Verfahren zur automatischen Absatzsteuerung von Waren oder Dienstleistungen” ist durch die Zweckangabe in Verbindung mit weiteren beanspruchten Verfahrensschritten, wonach die Absatzdaten elektronisch erfaßt werden und ein angepaßter Abgabepreis elektronisch ausgewählt und angezeigt wird, eine Zwischenschaltung der menschlichen Verstandestätigkeit ausgeschlossen und der Einsatz beherrschbarer Naturkräfte verlangt. Das beanspruchte Verfahren erschöpft sich nicht in einer betriebswirtschaftlichen Regel.
2. Der technische Charakter einer Lehre wird nicht dadurch fraglich, daß sie von einem üblichen Rechner nur den bestimmungsgemäßen Gebrauch macht.
13.2 Streitgegenständlicher Anspruch
a) | “1. Verfahren zur automatischen Absatzsteuerung für eine Menge von Waren und/oder Dienstleistungen unter Verwendung eines digitalen Verarbeitungssystems, gekennzeichnet durch die folgenden Verfahrensschritte: |
b) | – elektronisches Speichern (30) von zeitlichen Absatzprognosedaten für mindestens einen bestimmten Abgabepreis der Waren/Dienstleistungen; |
c) | – elektronisches Erfassen (31) aktueller Absatzdaten für die Menge von Waren/Dienstleistungen; |
d) | – elektronische Auswahl (33, 35) eines angepaßten Abgabepreises als Funktion der Abweichung der aktuellen Absatzdaten von den Absatzprognosedaten; |
e) | – Anzeigen (46) des ausgewählten Abgabepreises.” |
13.3 Streitverlauf
Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle des DPMA zurückgewiesen, weil die Erfindung nicht technisch sei. Dagegen richtete sich die Beschwerde.
Das DPMA argumentierte, dass die funktional beanspruchten technischen Mittel nicht zum Kern der Erfindung gehörten:
“Daß diese Festlegung des Verkaufspreises automatisch bzw. mit irgendwelchen technisch nicht näher definierten “Mitteln” wie z. B. einem Komparator, einem Generator erfolge und der ermittelte Preis irgendwie angezeigt werde, mache die Erfindung nicht zu einer technischen, zumal diese Mittel nichts anderes darstellten als Software-(Teil )Programme, die vernünftigerweise auf einem ebenfalls nicht näher definierten, also üblichen, fertigen und universell einsetzbaren Rechner mit ebenfalls üblichen Komponenten wie E/A-Einheiten, Speicher, Steuerwerk abliefen.“
Die Anmelderin sah darin einen Rückfall in die vom BGH bereits aufgegebenen Kerntheorie.
Das BPatG trat dieser Auffassung bei:
“Eine derartige, nur auf den “Kern der Erfindung” ausgerichtete Sichtweise könnte sich zwar auf ältere BGH-Entscheidungen berufen (BGH GRUR 1981, 39 – Walzstabteilung; BGH GRUR 1986, 531 – Flugkostenminimierung) und mag in der Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen” (BGH GRUR 1992, 36) noch nachklingen mit der Einteilung in Merkmale, die im Vordergrund stehen, und solchen, die der Lehre nicht das entscheidende Gepräge geben und nur mittelbar zum angestrebten Erfolg beitragen. Die “Kerntheorie” ist mit der Entscheidung “Tauchcomputer” jedoch aufgegeben worden (BGH GRUR 1992, 430).”
Das BPatG konnte zumindest in der automatischen Durchführung des Verfahrens eine technische Lösung erkennen:
“Bei der Absatzsteuerung nach der Lehre des Patentanspruchs 1 darf nicht unbeachtet bleiben, daß das Verfahren automatisch abläuft. Ob ähnlich einem früher vom Senat entschiedenen Fall (GRUR 1996, 866 – Viterbi-Algorithmus) bereits die bloße Zweckangabe “zur automatischen Absatzsteuerung” im Patentanspruch 1 das Verfahren auf den Einsatz beherrschbarer Naturkräfte ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandestätigkeit beschränkt, kann hier offen bleiben,…“
Es sah nicht-technische und technische Merkmale eng verknüpft, obwohl auch dabei noch die Kerntheorie durchschimmerte:
“Die betriebswirtschaftliche Regel steht in so enger Beziehung zu technischen Vorgängen, daß das beanspruchte Verfahren als technisch zu werten ist.“
Auch sah es keine Zwischenschaltung der menschlichen Verstandesfähigkeit durch die Auswahlentscheidung des Käufers:
“Bei einem “automatischen” Verfahren ist der Mensch nicht bewertend oder interpretierend tätig. Die Höhe des angezeigten Verkaufspreises bewirkt eine entsprechende Veranlassung des Kunden zum Kauf. Damit wirkt zwar grundsätzlich die Kaufentscheidung und damit ein menschlicher Faktor auf den Vorgang ein. Der Erfolg der beanspruchten Lehre, die automatische Absatzsteuerung, beruht jedoch nicht auf diesem Faktor, sondern auf dem selbsttätigen Aufeinanderfolgen der einzelnen Verfahrensschritte und deren selbsttätiger Ausführung.“
Damit sei laut BPatG keine Veranlassung gegeben die Erfindung als nicht-technisch von der Patentierung auszuschließen.
13.4 Allgemeingültige Auffassung des BPatG
Nach Aufgabe der Kerntheorie sei der gesamte Gegenstand des Anspruchs zu erfassen und zu bewerten:
“Auf Technizität ist – ebenso wie auf Patentfähigkeit – der gesamte Anspruchsinhalt zu untersuchen, nicht nur einzelne Gesichtspunkte oder nur vorgeschaltete Überlegungen, die zur Erfindung führen. Es geht nicht an, die Lehre eines Patentanspruchs unter Abziehung wesentlicher Bestandteile ihres Gesamtinhalts so weit zu entkleiden, daß letztlich nur mehr eine gedankliche Anweisung übrig bleibt.“
13.5 Einordnung
Nach der Aufgabe der Kerntheorie durch den BGH in der Entscheidung Tauchcomputer (hier Entscheidung Nr. 12) konnte nun im Wesentlichen ein technisches Merkmal reichen, mit dem die nicht-technischen Merkmale eines Anspruchs verbunden sind, um die gesamte Erfindung als technisch zu werten. Die Hürde der Technizität war damit erheblich herabgesetzt.
14. Die BGH-Entscheidung “Logikverifikation”, 2000
Die Entscheidung “Logikverifikation” (GRUR 2000, 498) war die erste höchstrichterliche Entscheidung nach einer längeren Ruhephase zum Thema Softwarepatente. Das BPatG gewöhnte sich offenbar schnell an die Vorgabe des BGH in der Entscheidung “Tauchcomputer” (hier Entscheidung Nr. 12), die Kerntheorie aufzugeben, und Technizität einer Erfindung am gesamten Anspruchsgegenstand zu überprüfen. Nichtsdestotrotz gab es hier einen Rückfall in die veraltete Prüfungsmethodik. Dies nutzte der BGH für eine Konkretisierung der seit der Entscheidung “Rote Taube” im Jahr 1969 (hier Entscheidung Nr. 1) unverändert gebliebenen Bewertungsgrundlage für Technizität.
14.1 Leitsätze
1. Die Beantwortung der Frage, ob eine auf ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen gerichtete Patentanmeldung die nach § 1 I PatG vorausgesetzte Technizität aufweist, erfordert eine wertende Betrachtung des im Patentanspruch definierten Gegenstands.
2. Betrifft der Lösungsvorschlag einen Zwischenschritt im Prozess, der mit der Herstellung von (Silicium-) Chips endet, so kann er vom Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil er – abgesehen von den in dem verwendeten elektronischen Rechner bestimmungsgemäß ablaufenden Vorgängen – auf den unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichtet und die Möglichkeit der Fertigung tauglicher Erzeugnisse anderweitig durch auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnisse voranzubringen sucht (Abweichung von BGH – Chinesische Schriftzeichen).
14.2 Streitgegenständlicher Anspruch
1. | Verfahren zur hierarchischen Logik-Verifikation hochintegrierter Schaltungen, bei dem durch einen elektronischen Rechner eine mit Hilfe eines Extraktionsverfahrens aus dem physikalischen Layout der jeweiligen hochintegrierten Schaltung gewonnene hierarchische Layout-Schaltung mit einer durch einen Logikplan festgelegten hierarchischen Logikplan-Schaltung derart verglichen wird, daß, in einem Schritt 1, sowohl die Layout-Schaltung als auch die Logikplan-Schaltung derart transformiert werden, daß die Anschlußzahl der Teilschaltungen jeder Hierarchieebene minimal ist, wobei dies dadurch geschieht, daß |
1.a) | Anschlüsse einer Teilschaltung, die innerhalb dieser Teilschaltung mit keinem Bauelement dieser Teilschaltung oder keiner Instanz einer untergeordneten Teilschaltung, die mindestens einer nächst niedrigeren Hierarchieebene angehört, verbunden sind, gestrichen werden, |
1.b) | Anschlüsse einer Teilschaltung, die bei allen Instanzen einer jeweiligen Teilschaltung extern miteinander verbunden sind, zu einem gemeinsamen Anschluß zusammengefaßt werden, wobei dies über alle Hierarchieebenen hinweg erfolgt, und |
1.c) | Anschlüsse einer Teilschaltung, die bei keiner Instanz dieser Teilschaltung eine externe Verbindung mit mindestens einem Bauelement einer anderen Teilschaltung aufweisen, auf der jeweiligen Hierarchieebene als externer Anschluß gestrichen werden, und |
2. | daß, in einem Schritt 2, Paare potentiell äquivalenter Teilschaltungen dadurch gebildet werden, daß in der extrahierten Schaltung und in der Logikplan-Schaltung korrespondierende Teilschaltungen mit gleicher Benennung gesucht werden und einander nur dann zugeordnet werden, wenn diese auch eine identische Anzahl von Anschlüssen aufweisen, und |
3. | daß, in einem Schritt 3, die internen Hierarchien eines Paares potentiell äquivalenter Teilschaltungen dadurch in gleichgestaltige (isomorphe) Hierarchien umgeformt werden, daß |
3.a) | Instanzen von Teilschaltungen, denen ein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, durch ein nicht weiter zu detailierendes Makro-Bauelement ersetzt werden, sofern zumindest alle Anschlüsse beider Instanzen einander vollständig zuzuordnen sind, |
3.b) | Instanzen von Teilschaltungen, denen kein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, solange durch Übergang auf eine niedrigere Hierarchieebene partiell expandiert werden, bis wieder mindestens eine Instanz einer Teilschaltung vorliegt, zu der ein Partner in der jeweils anderen Schaltung mit zugeordneten Anschlüssen existiert und diese jeweilige Instanz der jeweiligen untergeordneten Teilschaltung ebenfalls durch ein jeweiliges Makro-Bauelement ersetzt wird, |
3.c) | Instanzen von Teilschaltungen, denen ein Partner in der jeweils anderen Schaltung zugeordnet ist, und bei denen nicht alle Anschlüsse beider Instanzen einander zuzuordnen sind, wahlweise ebenfalls, wie in Schritt 3. b), weiter partiell expandiert werden oder der Vergleich der übergeordneten Schaltungsteile unterdrückt wird, und |
3.d) | Instanzen von Teilschaltungen, die nach Durchführung der oben genannten Schritte in beiden Schaltungen nicht gleich oft vorkommen, wie in Schritt 3. b), weiter expandiert werden, bis die Anzahl der Instanzen aller einander entsprechenden Teilschaltungen jeweils übereinstimmt, |
4. | wobei Schritt 3 bereits vorher auf die in den jeweiligen zu vergleichenden Teilschaltungen vorkommenden untergeordneten Teilschaltungen anzuwenden ist. |
14.3 Streitverlauf
Das DPMA hatte die ursprüngliche Version des Hauptanspruchs, ohne den Zusatz “durch einen elektronischen Rechner” als nicht technisch abgelehent. Insbesondere weil das beanspruchte Verfahren auch “mittels Papier und Bleistift” ausgeführt werden könne. Das BPatG erachtete jedoch auch den Gegenstand des ergänzten Hauptanspruchs nicht als technisch. Dabei hatte das Gericht, die (bereits aufgegebene) Kerntheorie verwendend, festgestellt, dass “im Wesentlichen” ein Datenverarbeitungs- oder Rechenverfahren gelehrt werde.
Dem hielt die Anmelderin in Ihrer Rechtsbeschwerde entgegen. Das angemeldete Verfahren sei auf einen technischen Teilaspekt eines technischen Verfahrens gerichtet, um hochintegrierte Siliziumchips zu produzieren. Durch das beanspruchte Verfahren ergeben sich die technischen Effekte der Reduktion von Speicherplatz und Verarbeitungszeit. Sie argumentierte auch, ohne elektronischen Rechner sei das Verfahren nicht implementierbar.
Diesen Angriffen auf die Entscheidung des BPatG folgte der BGH ausdrücklich.
Der BGH sah das technische Problem darin,
“ein Verfahren zu finden, bei dem mit möglichst geringem Speicherplatzaufwand und möglichst kurzer Verarbeitungszeit Schaltungen mit nicht isomorphen Hierarchien und inkompatiblen Anschlüssen der Teilschaltungen rein maschinell vergleichbar sind.”
Der BGH identifizierte vorliegend jedoch eine Technologie-Kategorie, die sich nicht in den bisher identifizierten Kanon von Technologien einordnen lies. Denn das beanspruchte Verfahren richtete sich weder in bestimmter Weise an einen Aufbau des elektronischen Rechners, noch war es auf eine bestimmte Funktionsfähigkeit oder auf einen bestimmten Gebrauch gerichtet (Seitenpuffer, Dispositionsprogramm):
“Der Senat hat in seiner Rechtsprechung zum Patentgesetz 1968 die erforderliche Technizität für gegeben erachtet, wenn die Anweisungen der angemeldeten Lehre auf einen in bestimmter Weise gearteten Aufbau, auf eine bestimmte Funktionsfähigkeit oder auf einen in bestimmter Weise beschaffenen Gebrauch des elektronischen Rechners gerichtet sind, der zur Anwendung kommen soll (BGHZ 115, 11 = NJW 1992, 372 = LM H. 4/1992 § 1 PatG Nr. 77 – Seitenpuffer; BGHZ 67, 22 = NJW 1976, 1936 = LM § 1 PatG Nr. 44 – Dispositionsprogramm). Solche Besonderheiten sind hier nicht gegeben, wie das BPatG zutreffend erkannt hat.”
Auch eine Verbindung der softwarebasierten Erfindung zu einer physikalischen Realität liege nicht unmittelbar vor:
“Als Lehren zum technischen Handeln sind ferner angesehen worden Programme, die Messergebnisse aufarbeiten, den Ablauf technischer Einrichtungen überwachen oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirken (vgl. BGHZ 117, 144 = NJW 1993, 203 = LM H. 10/1992 § 265 ZPO Nr. 26 = GRUR 1992, 430 [431] – Tauchcomputer -, und die Nachw. bei Melullis, GRUR 1998, 843 [847f.]). Nach den insoweit unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des BPatG liegt hier auch ein solcher Fall nicht vor.“
Allerdings liege eine mittelbare Verbindung zu einer physikalischen Realität, nämlich zur Herstellung elektronischer Schaltungen vor:
“Schließlich hat das BPatG festgestellt, dass die angemeldete Lehre beispielsweise den Bereich der CAD/CAM-Werkzeuge betreffe. Hier bestimmten Methoden der Datenverarbeitung die Realität der gegenwärtigen industriellen Technik bei Entwurf und Fertigung von Gütern. Im Falle der Anmeldung bestehe eine zwar nicht unmittelbare, aber mittelbare Verbindung zur Herstellung hochintegrierter Schaltungen, weil in nachfolgenden Abschnitten des integrierten Entwurfs- und Fertigungsprozesses aus den verifizierten und im Speicher der Datenverarbeitungsanlage abgelegten Layout-Daten die Masken und schließlich die integrierten Halbleiterschaltungen geschaffen würden.“
Der auf technischen Überlegungen vorliegenden Zwischenschritt bei der Herstellung von Silizium-Chips ist technisch:
“Die angemeldete Lehre betrifft einen Zwischenschritt in dem Prozess, der mit der Herstellung von (Silicium-)Chips endet, indem mit ihrer Hilfe dafür gesorgt werden kann, dass diese Bauteile aus verifizierten Schaltungen bestehen. Sie ist damit nach ihrer Zweckbestimmung Teil einer aktuellen Technik. Die vorgeschlagene Lösung nutzt zwar – wie jede Neuerung – ein gedankliches Konzept; der Anmeldungsgegenstand beschränkt sich aber nicht hierauf. Das gedankliche Konzept ist nämlich nur realisierbar, wenn die Vergleichsgrößen erkannt sind, auf deren Vergleich nach den tatsächlichen Gegebenheiten auf dem genannten Gebiet der Technik verzichtet werden kann. Angesichts der Beschaffenheit der Produkte, deren Herstellung das Verifikationsverfahren dient, erforderte dies eine technische Erkenntnis, die auf Überlegungen beruht, die sich auf körperliche bzw. physikalische Gegebenheiten konzentriert.“
Rechtsfehlerhaft sei die vom BPatG getroffene Bewertung des vorliegenden Verifikationsverfahrens als im Wesentlichen Datenverarbeitungs- oder Rechenverfahren. Selbst die Feststellungen des BPatG stützen dies nicht. Der beanspruchte Gegenstand, so der BGH, beziehe sich zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar, auf die Herstellung hochintegrierter Schaltungen. Er betreffe einen Zwischenschritt in einem Prozess, der mit der Herstellung eines Siliziumchips endete. Damit sei der Zwischenschritt nach Zweckbestimmung Teil einer aktuellen Technik. Der Anmeldegegenstand beschränke sich nicht auf ein gedankliches Konzept. Das beanspruchte Verifikationsverfahren konzentriere sich auf körperliche bzw. physikalische Gegebenheiten. Damit liege Technizität des angemeldeten Gegenstandes vor.
14.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Die Frage der Technizität ist auf Basis einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln. Damit hält der BGH sich an die Abkehr von der Kerntheorie, wie sie in der Entscheidung “Tauchcomputer” bisher am deutlichsten festgestellt wurde. Allerdings hielt er eine Gewichtung einzelner Aspekte nach wie vor für möglich:
“Eine Gesamtbetrachtung bedeutet eine Bewertung des in dem angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstands; dies schließt die Möglichkeit ein, bei Vorliegen sachgerechter Gründe einzelne Anspruchsmerkmale unter Berücksichtigung ihres nach fachmännischem Verständnis gegebenen Zusammenhangs unterschiedlich zu gewichten.” Dabei verweist er allerdings auf die noch zu Zeiten der Kerntheorie ergangene Entscheidung “Chinesische Schriftzeichen”.
Der BGH bestätigte die in der Entscheidung “Rote Taube” (hier Entscheidung Nr. 1) getätigte Aussage, dass die dort getroffene Technikdefinition nicht abschließend war, sondern nur eine Konkretisierung darstellte, dass im Allgemeinen eine Technik vorliegen müsse.
“Der getroffenen Entscheidung steht nicht entgegen, dass nach den Feststellungen des BPatG die angemeldete Lehre nicht die Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolgs bezweckt, der unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte unmittelbar ohne Zwischenschaltung menschlicher Verstandeskräfte herbeigeführt wird. Allerdings hat der Senat in diesem Begriff der Technik das brauchbare Abgrenzungskriterium gegenüber andersartigen Leistungen des Menschen gesehen, für die ein Patentschutz weder vorgesehen, noch geeignet sei (BGHZ 115, 23 [30] = NJW 1992, 374 = LM H. 4/1992 § 1 PatG 1981 Nr. 4 – Chinesische Schriftzeichen, unter Hinw. auf Rspr. des Senats zum PatG 1968).
Es gehört aber auch zu den durch die Rechtsprechung des Senats noch zum Patentgesetz 1968 herausgearbeiteten Grundsätzen, dass der Technikbegriff des Patentrechts nicht statisch, d.h. ein für allemal feststehend verstanden werden kann. Er ist vielmehr Modifikationen zugänglich, sofern die technologische Entwicklung und ein daran angepasster effektiver Patentschutz dies erfordern (vgl. BGHZ 52, 74 [76] = NJW 1969, 1713 = LM § 1 PatG Nr. 32 – Rote Taube).”
Als Technologien können auch Verfahren und Strukturen erachtet werden, die auf eine unmittelbare Verwendung von Naturkräften verzichteten. Die industrielle Entwicklung habe dazu geführt, dass virtuelle Tätigkeiten für die Erzeugung oder Bereitstellung physikalischer Ergebnisse erforderlich sein können. Diesen Tätigkeiten könne Technizität nicht per se abgesprochen werden:
“Die industrielle Entwicklung hat dazu geführt, dass die zur Herstellung derartiger technischer Bauteile nötigen Arbeiten weitgehend nicht mehr durch maschinelle Fertigung geprägt sind, die den unmittelbaren Einsatz beherrschbarer Naturkräfte erfordert. Jedenfalls der Entwurf und notwendige Überprüfungen im Vorfeld der körperlichen Herstellung von Chips geschehen heutzutage im Wesentlichen computergestützt. […]
Das hat eine entsprechende Verlagerung der Entwicklungstätigkeit der einschlägigen Fachkreise zur Folge, ändert aber nichts daran, dass es um die Beherrschbarkeit des Fertigungsprozesses für hochintegrierte Schaltungen geht, der dem industriellen Bereich der Technik angehört und nicht ohne entsprechende technische Überlegungen zu erledigen ist. Dieser Bereich kann deshalb vom Patentschutz nicht deshalb ausgenommen sein, weil ein Lösungsvorschlag – abgesehen von den in dem verwendeten elektronischen Rechner bestimmungsgemäß ablaufenden Vorgängen – auf den unmittelbaren Einsatz von beherrschbaren Naturkräften verzichtet und die Möglichkeit der Fertigung technisch tauglicher Bausteine anderweitig durch technisches Wissen voranzubringen versucht.”
Der BGH erwähnte noch, dass höchstrichterlich bisher nicht geprüft wurde, was unter einem Computerprogramm “als solches” zu verstehen sei. Auch dieser Fall gab dazu keinen Anlass.
14.5 Einordnung
Die Entscheidung “Logikverifikation” ist ein Meilenstein in der Entwicklung der Rechtssprechung zu Softwarepatenten. In ihr wendet der BGH zum ersten Mal das in der Entscheidung “Rote Taube” aufgestellte Meta-Kriterium an, dass die dort vorgegebene Definition für Technizität an die Entwicklung von Technik angepasst werden müsse. Die Definition aus “Rote Taube” ist gemäß dem BGH zwar hinreichend aber nicht notwendig für eine Qualifikation einer Erfindung als technisch.
Die Technologie hatte sich zum Zeitpunkt der Entscheidung soweit entwickelt, dass auch rein computerimplementierte Erfindungen rechtlich als Technologie eingeordnet werden mussten ohne eine Divergenz zwischen herkömmlicher und rechtlicher Technologiedefinition befürchten zu müssen. Voraussetzung dafür war nicht mehr, dass diese auf einen “Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges” basierten. Allerdings musste erkennbar sein, dass ein ein solcher “Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges” zumindest mittelbar erfolgte, indem die beanspruchte Erfindung einen Zwischenschritt dafür darstellte.
Im Effekt wurde durch die Entscheidung “Rote Taube” ein zweistufiges Prüfungskriterium vorgegeben. In einem ersten Schritt diente die dort aufgestellte Definition einer Prüfung auf Technizität. Sollte jedoch die betrachtete Erfindung nicht unter diese Definition fallen, war in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob die Erfindung eine neue Technologiekategorie darstellte, die eben nicht von der Definition erfasst wurde. Die Wahrscheinlichkeit dazu musste je größer sein, je mehr Zeit zwischen der Formulierung der Definition, i.e. seit der Entscheidung “Rote Taube” verstrichen war. In der hier vorgestellten Entscheidung hatte der BGH nun erstmalig auch den zweiten Prüfungsschritt angewendet und festgestellt, dass die zu bewertende Erfindung tatsächlich in eine neue Technologiekategorie einzuordnen war.
15. Die BGH-Entscheidung “Sprachanalyseeinrichtung”, 2000
Auch in der Entscheidung “Sprachanalyseeinrichtung” (GRUR 2000, 1007) kritisierte der BGH die Verwendung der Beitrags- und der Kerntheorie durch das BPatG. Zudem verdeutlichte er die enge Bindung des rechtlichen Technizitätsbegriffs mit der gesellschaftlich verbreiteten Vorstellung von Technizität.
15.1 Leitsätze
1. Einer Vorrichtung (Datenverarbeitungsanlage), die in bestimmter Weise programmtechnisch eingerichtet ist, kommt technischer Charakter zu. Das gilt auch dann, wenn auf der Anlage eine Bearbeitung von Texten vorgenommen wird.
2. Für die Beurteilung des technischen Charakters einer solchen Vorrichtung kommt es nicht darauf an, ob mit ihr ein weiterer technischer Effekt erzielt wird, ob die Technik durch sie bereichert wird oder ob sie einen Beitrag zum Stand der Technik leistet.
3. Dem technischen Charakter der Vorrichtung steht es nicht entgegen, daß ein Eingreifen des Menschen in den Ablauf des auf dem Rechner durchzuführenden Programms in Betracht kommt.
15.2 Streitgegenständlicher Anspruch
Sprachanalyseeinrichtung vom Dialogtyp mit: | |
a) | einer Satzeingabeeinrichtung (1), die der Eingabe eines zu analysierenden Textes in einer Sprache dient, wobei ein Satz des Textes aus syntaktischen Einheiten besteht, |
b) | einer Wörterbucheinrichtung (4), in der syntaktische Einheiten gespeichert sind, und der Attribute für syntaktische Einheiten entnehmbar sind, |
c) | einer Grammatikeinrichtung (5), die die für die Sprache des Textes möglichen linguistischen Beziehungen zwischen syntaktischen Einheiten, denen jeweils ein Attribut zugeordnet ist, bereitstellt, wobei der Inhalt der Wörterbucheinrichtung (4) und der Grammatikeinrichtung (5) in einem Speicher gespeichert ist, |
d) | einer Feststelleinrichtung (2), die mittels der Wörterbucheinrichtung den Satz in syntaktische Einheiten aufteilt und für jede syntaktische Einheit mögliche Attribute feststellt und mittels der Grammatikeinrichtung anhand der als möglich erkannten Attribute alle möglichen linguistischen Beziehungen zwischen den Attributen, die jeweils einer syntaktischen Einheit zugeordnet sind, feststellt, wobei jede auf diese Weise festgestellte mögliche linguistische Beziehung zwischen den syntaktischen Einheiten des Satzes eine Kandidatenbeziehung darstellt, die möglicherweise korrekt ist, und |
e) | eine Dialog-Auswahlweinrichtung (9), mit der im Dialog mit einem Benutzer, wenn für eine syntaktische Einheit mehr als eine Kandidatenbeziehung möglich ist, eine korrekte Beziehung aus den Kandidatenbeziehungen basierend auf einer Befehlseingabe von einer Betriebseinheit ausgewählt werden kann, gekennzeichnet durch |
f) | einen Bewertungsblock (8), der die Kandidatenbeziehungen dahingehend bewertet, ob sie eine höhere oder geringere Wahrscheinlichkeit haben, korrekt zu sein, und durch |
g) | eine Bevorzugungs-Analyseeinrichtung (10), die, wenn für mehrere Kandidatenbeziehungen keine klärende Auswahl über die Dialog-Auswahleinrichtung getroffen wurde, die durch den Bewertungsblock als wahrscheinlichste bewertete Kandidatenbeziehung als korrekt auswählt. |
15.3 Streitverlauf
Das DPMA hatte ein Patent mangels Technizität versagt. Das BPatG hatte die Beschwerde dazu als unbegründet zurückgewiesen:
“Ein Gegenstand, der technische und nichttechnische Aspekte umfasse, gebe jedenfalls dann eine patentfähige Erfindung an, wenn er einen Beitrag zum Stand der Technik enthalte und dieser Beitrag auch die weiteren Patentierungsvoraussetzungen erfülle.“
Im vorliegenden Fall hatte das BPatG den Beitrag der Erfindung, als den eines Sprachwissenschaftlers gehalten und dementsprechend nicht als technisch erachtet. Die technischen Maßnamen der beanspruchten Vorrichtung seien als Stand der Technik für die Beurteilung der Technizität nicht heranzuziehen gewesen. Eine neue Brauchbarkeit sei ebenfalls nicht gelehrt.
Dem trat die Anmelderin entgegen. Insbesondere habe das BPatG Argumente aus dem Bereich der erfinderischen Tätigkeit und Argumente aus dem Bereich der Technizität unzulässig vermischt.
Diese Auffassung bestätigte der BGH.
Insbesondere kritisierte er die Anwendung der längst aufgegebenen Beitragstheorie des BPatG:
“Erst recht kann es für die Beurteilung des technischen Charakters der beanspruchten Anlage nicht darauf ankommen, ob diese die Technik bereichert oder ob sie einen Beitrag zum Stand der Technik leistet. Auch einer bekannten Vorrichtung, die an sich technisch ist, kann deswegen, weil sie der Technik nichts hinzufügt, nicht der technische Charakter abgesprochen werden.“
Auch die Anwendung der Kerntheorie kritisierte der BGH als rechtsfehlerhaft:
“Der Senat hat hierzu bei anderer Gelegenheit ausgeführt, daß bei der Prüfung einer Erfindung, die technische und nichttechnische Merkmale enthält, auf erfinderische Tätigkeit der gesamte Erfindungsgegenstand unter Einschluß einer etwaigen Rechenregel zu berücksichtigen ist (BGHZ 117, 144, 150 = GRUR 1992, 430 – Tauchcomputer).“
“Im übrigen widerspricht auch die völlige Nichtberücksichtigung der “nichttechnischen Erkenntnisse”, die dem Anmeldungsgegenstand zugrunde liegen, den von der Rechtsprechung zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bei Erfindungen auf dem Gebiet der Datenverarbeitung entwickelten Grundsätzen.“
Dabei wies er daraufhin, dass vorliegend nicht der Inhalt einer Information auf Technizität zu bewerten sei:
“Die Frage, ob dabei auch der Inhalt der zu verarbeitenden Information zu berücksichtigen sein kann, wogegen Bedenken geltend gemacht worden sind (Melullis, a.a.O., S. 846 li.Sp.) und was auch nicht der herkömmlichen Auffassung zur Nichtberücksichtigung von “geistigen Anweisungen” entspräche (vgl. z. B. Senat GRUR 1975, 549 f. – Buchungsblatt), stellt sich im vorliegenden Verfahren ersichtlich schon deshalb nicht, weil sich die Anmeldung jedenfalls nicht auf solche Inhalte beschränkt.“
Letztendlich hielt der BGH das beanspruchte Sprachanalysegerät, mit einer Eingabeeinheit und Ausgabeinheit, auf dem ein Programm abläuft für ohne Weiteres technisch. Selbst ein Computer auf dem eine redaktionalle Bearbeitung von Texten erfolgte, wäre ein technischer Gegenstand.
Eine Analyse, ob allein ein Softwareprogramm “als solches” vorlag und somit zur Anwendung des Ausschlusstatbestandes gemäß § 1 PatG Abs. 3 und 4 war nicht erforderlich.
15.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Der BGH kritisierte nochmals, dass eine Analyse der Technizität nicht auf dem beruhen dürfe, was sich dem Fachmann als Beitrag zum Stand der Technik erschließt. Eine bekannte technische Vorrichtung ist nicht deswegen untechnisch weil sie nichts zum Stand der Technik beitrage. Die Beitragstheorie sei längst überholt.
Auch die Kerntheorie sei nicht mehr anzuwenden. Denn bei der Prüfung der erfinderischen Tätigkeit sei der gesamte Erfindungsgegenstand unter Einschluss einer etwaigen Rechenregel zu berücksichtigen ist, gemäß der Entscheidung “Tauchcomputer” (hier Entscheidung Nr. 12).
Der patentrechtliche Begriff der Technik sollte zudem an den herkömmlichen Begriff der Technik anknüpfen:
“Der Begriff der Technik im patentrechtlichen Sinn ist im Gesetz nicht näher definiert und entzieht sich als der Abgrenzung des durch die technischen Schutzrechte Schutzfähigen dienender Rechtsbegriff einer eindeutigen und abschließenden Festlegung. Er hat vielmehr eine Wertung (vgl. hierzu Sen.Beschl. “Logikverifikation”, a.a.O., S. 12 f.) bezüglich dessen zur Voraussetzung, was technisch und deshalb dem Patentschutz zugänglich sein soll. Damit knüpft er jedenfalls auch an dem Verständnis an, das den Begriff der Technik herkömmlich ausfüllt.“
Auch ein Eingriff eines Menschen in einem Verfahrensschritt mache ein technisches Verfahren nicht zu einem un-technischen:
“Schließlich steht es dem technischen Charakter der Vorrichtung nicht entgegen, daß nach Merkmal (e) des Patentanspruchs 1 ein Eingreifen des Menschen in den Ablauf des auf dem Rechner durchzuführenden Programms in Betracht kommt.“
“Auch aus anderen Entscheidungen des Senats läßt sich nicht entnehmen, daß bereits ein menschliches Eingreifen für sich und auch für Fälle einer wie hier – im Bereich der elektronischen Datenverarbeitung üblichen – im Dialogbetrieb arbeitenden Einrichtung oder eines Dialogverfahrens dem technischen Charakter der Lehre entgegensteht.
Der BGH wies nochmals darauf hin, dass ein genereller Ausschluss von Softwareerfindungen sowohl national als auch international nicht beabsichtigt sei:
“Ein generelles Verbot der Patentierung von Lehren, die von Programmen für Datenverarbeitungsanlagen Gebrauch machen, besteht, wie sich schon im Umkehrschluß aus der Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG und der parallelen Regelung in Art. 52 EPÜ ergibt, nach dem Gesetz jedenfalls nicht; dies wird nunmehr durch Artikel 27 des Abkommens über handelsrelevante Aspekte des geistigen Eigentums (TRIPS) bestätigt und entspricht soweit ersichtlich auch allgemeiner Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum (vgl. nur GRUR 1978, 102 f. – Prüfverfahren; GRUR 1980, 849 ff. – Antiblockiersystem; BGHZ 115, 11 ff. = GRUR 1992, 11 – Seitenpuffer; EPA T 1173/97 ABl. EPA 1999, 609, 619 ff. – Computerprogrammprodukt/IBM; Benkard, PatG/GebrMG, 9. Aufl., § 1 PatG Rdn. 104; Busse, PatG, 5. Aufl., § 1 PatG Rdn. 45; Schulte, PatG, 5. Aufl., § 1 PatG Rdn. 77; Mes, PatG, § 1 Rdn. 57).”
Den in der Entscheidung “Logikverifikation” aktualisierten Technizitätsbegriff versuchte er zu verallgemeinern, indem er schreibt, dass eine technische Lehre durch:
“ein konkretes Anwendungsprogramm beansprucht wird, bei dem die enge Beziehung zum Computer ersichtlich ist, was durch entsprechende Anspruchsformulierung immer möglich sein dürfte.”
Der Begriff “konkret” sollte zukünftig im Hinblick auf eine Methodik zur Prüfung von Technizität noch eine wichtige Rolle spielen.
15.5 Einordnung
Auch in der Entscheidung “Sprachanalyseeinrichtung” kritisierte der BGH die Verwendung überholter Prüfungsmethoden zur Analyse der Technizität. Noch deutlicher als in der vorhergehenden Entscheidung “Logikverifikation” mahnte der BGH den rechtlichen Technikbegriff an den herkömmlichen Technikbegriff anzuknüpfen. Ebenfalls als wichtige Aussage kann der Entscheidung entnommen werden, dass ein Eingriff eines Menschen bei der Verwendung einer technischen Erfindung, z.B. als Verfahrensschritt, der Technizität nicht abträglich ist. Der Verweis auf ein “konkretes Anwendungsprogramm” als technische Lehre sollte bald zu einer neuen Prüfungsmethodik führen.
16. Die BGH-Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten”, 2001
In der Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” (GRUR 2002, 143) beschäftigte sich der BGH mit dem Technikbezug eines digitalen Datenträgers für ein computergestütztes Textkorrektur-Verfahren. Dabei äußerte er such ausgiebig zum Patentierbarkeitsausschluss für Software “als solche” gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG.
16.1 Leitsätze
1. Das Patentierungsverbot für Computerprogramme als solche verbietet, jedwede in computergerechte Anweisungen gekleidete Lehre als patentierbar zu erachten, wenn sie nur – irgendwie – über die Bereitstellung der Mittel hinausgeht, welche die Nutzung als Programm für Datenverarbeitungsanlagen erlauben. Die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre müssen vielmehr insoweit der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen.
2. Eine vom Patentierungsverbot erfasste Lehre (Computerprogramm als solches) wird nicht schon dadurch patentierbar, dass sie in einer auf einem herkömmlichen Datenträger gespeicherten Form zum Patentschutz angemeldet wird.
16.2 Streitgegenständliche Ansprüche
1. Verfahren zur computergestützten Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette Fi, in einem digital gespeicherten Text, der die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette Si enthält, | |
dadurch gekennzeichnet, dass | |
a) | die Auftretenshäufigkeit H(Si) der fehlerfreien Zeichenkette Si ermittelt wird, |
b) | die fehlerfreie Zeichenkette Si nach einer Regel Rj verändert wird, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette fij erzeugt wird, |
c) | die Auftretenshäufigkeit H(ij) der Zeichenkette fij in dem Text ermittelt wird, |
d) | die Auftretenshäufigkeiten H(ij) und H(Si) verglichen werden und |
e) | basierend auf dem Vergleich in Schritt d) entschieden wird, ob die mögliche fehlerhafte Zeichenkette fij die gesuchte fehlerhafte Zeichenkette Fi ist. |
a) | 17. Computersystem, insbesondere Textverarbeitungssystem, zur Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette Fi in einem Text, wobei die entsprechende fehlerfreie Zeichenkette Si in dem Text vorkommt, |
b) | mit einem ersten Speicher (1) zur Speicherung des Texts, |
c) | mit einem zweiten Speicher zur Speicherung der Auftretenshäufigkeit H(Si) der fehlerfreien Zeichenkette Si und |
d) | mit einem dritten Speicher (3) zur Speicherung der Auftretenshäufigkeit H(fij) einer möglichen fehlerhaften Zeichenkette fij, |
e) | mit einem vierten Speicher (4) zur Speicherung einer Regel Rj, |
f) | und mit Prozessormitteln (2), die enthalten: |
g) | eine Veränderungseinrichtung (5) zur Veränderung der fehlerfreien Zeichenkette Si nach der Regel Rj, so dass eine mögliche fehlerhafte Zeichenkette fij erzeugbar ist, |
h) | eine Ermittlungseinrichtung (6) zur Ermittlung der Auftretenshäufigkeit H(fij) einer möglichen fehlerhaften Zeichenkette fij, |
i) | eine Vergleichseinrichtung (7) zum Vergleich der Auftretenshäufigkeiten H(Sj) und H(fij) und |
j) | eine Zuordnungseinrichtung (8) zur Zuordnung der möglichen fehlerhaften Zeichenkette fij zu der fehlerhaften Zeichenkette Fi basierend auf einem Ausgangssignal der Einrichtung (7) zum Vergleich, enthalten. |
a) | 22. Digitales Speichermedium, insbesondere Diskette, mit elektronisch auslesbaren Steuersignalen, die so mit einem programmierbaren Computersystem zusammenwirken können, |
b) | dass ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 17 ausgeführt wird. |
16.3 Streitverlauf
Das Patent wurde im ursprünglich beantragten Rahmen zurückgewiesen und nur für die hilfsweise beantragten Ansprüche 1 – 17 aufrechterhalten. Insbesondere wurde der Anspruch 22 nicht als patentierter erachtet. Das BPatG hielt das durch Anspruch 22 bestimmte Speichermedium gemäß § 1 Abs. 3, 4 PatG von der Patentierbarkeit ausgeschlossen.
Das BPatG sah im Anspruch 22 keine Lehre, welche die wesentlichen Lösungsmittel umfasste, um die erfindungsgemäße Aufgabe zu lösen. Die Aufgabe sah es in einem verbesserten Verfahren zur Suche/Korrektur fehlerhafter Zeichenketten in einem Text. Allein durch einen digitales Speicher könne diese Aufgabe jedoch nicht gelöst werden.
Dagegen richtete sich die Rechtsbeschwerde der Anmelderin.
Der BGH hielt zunächst die Kritik des BPatG an Anspruch 22 für zu kurz gegriffen. Denn durch die Beziehung von Anspruch 22 auf die Ansprüche 1 – 17 besteht eine Verbindung zu Merkmalen, die einer kompletten Lösung o.g. Aufgabe dienten.
Allerdings holte der BGH dann zu einer umfassenderen Kritik aus. Er sah in den vom BPatG nicht beanstandeten und erteilten Ansprüche 1 – 17 nicht unbedingt eine technische Lehre. Diese waren aber in jedem Fall wegen des Grundsatzes Reformatio in peius vor einer Vernichtung durch den BGH geschützt und mussten erteilt bleiben. Allerdings waren die Lehren der Ansprüche einer Prüfung durch den BGH in sofern zugänglich als dass diese in den Anspruch 22 einbezogen waren. In diesem Rahmen ergab sich die Kritik des BGH, die zur Zurückverweisung an das BPatG führte.
Das BPatG sah den Ausschlusstatbestand für alle Abbildungen eines Programmecodes auf Papier oder Speichermedium. Damit sei die Patentierung von Programmcode schlechthin ausgeschlossen:
“Zu dieser Bewertung ist es gelangt, weil der Computerfachmann den mehrdeutigen Begriff „Programm” bei enger Sicht lediglich für den Programmcode und dessen Aufzeichnungen (gleichgültig welche Entwurfsstufe) verwende. Da § 1 II Nr. 3, III PatG nach einer engen Auslegung verlange, umfasse der Begriff „Programm für eine Datenverarbeitungsanlage als solches” eine Programmcodedarstellung oder -aufzeichnung auf einem Klarschriftdatenträger wie Papier oder einem maschinenlesbaren Speichermedium.“
Der BGH stellte jedoch klar, dass diese Auffassung eine Mindermeinung sei:
“Allerdings wird sie in der Literatur verschiedentlich befürwortet (Tauchert, GRUR 1997, 149 [154]; Mitt 1999, 248 [151]; van Raden, GRUR 1995, 451 [457]; früher auch Schulte, PatG, 5. Aufl. [1994], § 1 Rdnrn. 74, 76). Es gibt aber auch maßgebliche Gegenstimmen. Vor allem ist auf die Spruchpraxis des EPA zu dem nahezu wortgleichen Art. 52 II lit. c, III EPÜ zu verweisen, wonach ein – Datenverarbeitung mittels eines geeigneten Computers betreffender – Gegenstand nicht als „Programm als solches” im Sinne dieser Regelung zu verstehen ist, wenn er – hinreichend qualifizierten – technischen Charakter hat (Entsch. v. 1. 7. 1998, ABlEPA 1999, 609 [618f., 620f.]“
Aus dem Gesetzteswortlaut ergibt sich allgemeiner Ausschluss für Software nicht:
“Die gesetzliche Regelung ergibt schon nach ihrem Wortlaut zunächst, dass weder Programme für Datenverarbeitungsanlagen schlechthin vom Patentschutz ausgenommen sind, noch dass bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen des Gesetzes für jedes Computerprogramm Patentschutz erlangt werden kann.“
Grundsätzlich liege auch hier in dem Kriterium der Technizität ein hinreichende Eigenheit, um den Patentierbarkeitsausschluss zu überkommen:
“Diese Abgrenzung der für Datenverarbeitungsanlagen bestimmten Programme, für die als solche Schutz begehrt wird, von computerbezogenen Gegenständen, die § 1 II Nr. 3 PatG nicht unterfallen, führt dazu, dass Ansprüche, die zur Lösung eines Problems, das auf den herkömmlichen Gebieten der Technik, also der Ingenieurwissenschaften, der Physik, der Chemie oder der Biologie besteht, die Abarbeitung bestimmter Verfahrensschritte durch einen Computer vorschlagen, grundsätzlich patentierbar sind.”
Auf die bisher identifizierten anerkannten Technikgebiete beschränke sich dies allerdings nicht:
Ansonsten bedarf es hingegen einer Prüfung, ob die auf Datenverarbeitung mittels eines geeigneten Computers gerichtete Lehre sich gerade durch eine Eigenheit auszeichnet, die unter Berücksichtung der Zielsetzung patentrechtlichen Schutzes eine Patentierbarkeit rechtfertigt.”
Ob die Lehre nach Anspruch 22 den Patentierbarkeitsausschluss erfüllt, war laut BGH noch nicht feststellbar.
“Ob Anspruch (22) hiernach von dem Patentierungsausschluss nach § 1 II Nr. 3 PatG erfasst wird, kann der Senat nicht abschließend beurteilen.
a) Die Anmeldung betrifft die Suche und/oder Korrektur einer fehlerhaften Zeichenkette in einem Text. Das liegt nicht auf technischem Gebiet, auch wenn der zu prüfende Text mit einem computergestützten Textverarbeitungssystem erstellt worden ist. Im vorliegenden Fall ist deshalb – wie ausgeführt – eine Bewertung nötig, ob Anspruch (22) Anweisungen enthält, die den erforderlichen Bezug zur Technik herstellen. Das erfordert eine tatrichterliche Analyse sowie die Feststellung der maßgeblichen Umstände, die das BPatG – in Konsequenz seines rechtlichen Ausgangspunkts – nicht getroffen hat. Das wird daher nachzuholen sein.
b) Die neuerliche Prüfung ist nicht etwa deshalb entbehrlich, weil mit Anspruch (22) ein Verfahren nicht unmittelbar beansprucht wird. Die in Anspruch (22) enthaltene Lehre kann nicht schon deshalb patentiert werden, weil dieser Anspruch insbesondere auf eine Diskette und damit auf einen körperlichen Gegenstand (Vorrichtung) gerichtet ist.”
“Bei der erneuten Befassung wird das BPatG daher vor allem die verfahrensmäßigen Anweisungen der in Anspruch (22) in Bezug genommenen Ansprüche (1) bis (17) zu bewerten haben. Diesen Anweisungen liegen ausweislich der Beschreibung der Patentanmeldung Erkenntnisse zu Grunde, die durch statistische Erhebung gewonnen werden können. Sollten sie (auch) die Lehre nach Anspruch (22) prägen, müsste diesem nach dem Vorgesagten die Patentierbarkeit abgesprochen werden. Allerdings erscheint auch die gegenteilige Bewertung nicht gänzlich ausgeschlossen.“
16.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Aus der Rechtssprechung identifizierte der BGH fünf Möglichkeiten Technizität zu erwerben:
Nr. 1: “Danach kann ein Programm patentiert werden, wenn es in technische Abläufe eingebunden ist, etwa dergestalt, dass es Messergebnisse aufarbeitet, den Ablauf technischer Einrichtungen überwacht oder sonst steuernd bzw. regelnd nach außen wirkt (GRUR 1980, 849 [850] = LM § 1 PatG Nr. 55 – Antiblockiersystem).“
Nr. 2: “Den in der Regel dem Patentschutz zugänglichen Lehren vergleichbar ist auch ein Verfahren, mit dem vermittels einer Datenverarbeitungsanlage durch Prüfung und Vergleich von Daten ein Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung technischer Gegenstände erledigt werden kann, wenn diese Lösung durch eine auf technischen Überlegungen beruhende Erkenntnis und deren Umsetzung geprägt ist (BGHZ 143, 255 [264] = GRUR 2000, 498 = NJW 2000, 1953 = LM H. 6/2000 § 1 PatG 1981 Nr. 12 – Logikverifikation).“
Nr. 3: “Gleiches trifft zu, wenn die Lehre die Funktionsfähigkeit der Datenverarbeitungsanlage als solche betrifft und damit das unmittelbare Zusammenwirken ihrer Elemente ermöglicht (BGHZ 115, 11 [21] = GRUR 1992, 33 = NJW 1992, 372 = LM H. 4/1992 § 1 PatG Nr. 77 – Seitenpuffer).“
Nr. 4 und 5: “Auch Anweisungen, die einen bestimmten Aufbau einer Datenverarbeitungsanlage lehren oder vorsehen, eine solche Anlage auf eigenartige Weise zu benutzen (vgl. BGHZ 67, 22 [29f.] = GRUR 1977, 96 = NJW 1976, 1936 = LM § 1 PatG Nr. 44 – Dispositionsprogramm), müssen die Voraussetzungen des Patentierungsausschlusses nicht notwendig erfüllen.“
Dies bestätige auch die Gesetzessystematik:
“Das vom Senat für maßgeblich gehaltene Verständnis von § 1 II Nr. 3 PatG wird durch die Gesetzessystematik bestätigt. Die dargelegte Tragweite des Patentierungsverbots für Computerprogramme entspricht derjenigen von anderen Tatbeständen des § 1 II PatG. Sowohl die dort in Nr. 1 genannten wissenschaftlichen Theorien und mathematischen Methoden als auch die in Nr. 3 genannten Pläne, Regeln und Verfahren für gedankliche Tätigkeiten sind nur insoweit vom Patentschutz ausgeschlossen, als sie losgelöst von einer konkreten Umsetzung beansprucht werden. Soweit sie hingegen zur Lösung eines konkreten technischen Problems Verwendung finden, sind sie – in diesem Kontext – grundsätzlich patentfähig (BGHZ 67, 22 [26ff.] = GRUR 1977, 96 = NJW 1976, 1936 = LM § 1 PatG Nr. 44 – Dispositionsprogramm; vgl. auch EPA, Entsch. v. 30. 5. 2000 – T 27/97, Rdnr. 3 – Cryptographie à clés publiques/FRANCE TELECOM).“
Diese Auffassung zum Patentierbarkeitsausschluss (§ 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG) sei auch beim EPÜ (dort bewusst wortgleich in Artikel 52 Abs. 2 lit. c, Abs. 4) nur als durch die Rechtssprechung zu konkretisierende Hürde kodifizierbar gewesen:
“Bei der Entstehung des Europäischen Patentübereinkommens herrschte zwar im Hinblick auf die Patentierung von computerbezogenen Lehren keine klare Vorstellung darüber, welche Definition gewählt werden soll. Während der diplomatischen Konferenz zum Abschluss des Übereinkommens wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vergeblich versucht worden sei, die Begrifflichkeiten auszufüllen; die Auslegung müsse der Rechtspraxis überlassen bleiben (Dokument M/PR/I, S. 28 Rdnr. 18, in: Berichte d. Münchner Diplomatischen Konferenz über d. Einführung eines Europäischen Patenterteilungsverfahrens, hrsg. v.d. Regierung d. Bundesrepublik Deutschland; auch abgedr. in: Materialien z. EPÜ, hrsg. v. EPA, Anl. Bd. 3).”
Ziel des Ausschlusskriteriums sei es (laut Diskussionen zum EPÜ) jedoch gewesen, nicht-technische Lehren vom Patentschutz auszunehmen:
“Die in das Europäische Patentübereinkommen und das Patentgesetz übernommene Wortwahl trägt jedoch dem Anliegen Rechnung, die Entwicklung auf dem damals immer noch relativ neuen Gebiet der Computertechnik nicht durch eine uferlose Ausdehnung des Patentschutzes zu behindern. Dies legt es nahe, Lehren aus Gebieten, die nach traditionellem Verständnis nicht zur Technik gehören, nicht allein deshalb dem Patentschutz zugänglich zu erachten, weil sie mit Hilfe eines Computers angewendet werden sollen.
Technische Lehren sollten aber durch durch das Ausschlusskriterium nicht behindert werden:
Andererseits würde es über das genannte Ziel hinausgehen, einer Lehre, deren Eigenart durch technische Vorgänge oder Überlegungen geprägt ist, den Patentschutz zu versagen, weil sie auf einem Computer zur Ausführung kommen soll und/oder von einem Teil der Computerfachleute in einem engeren Sinne als Programm für Datenverarbeitungsanlagen angesehen wird.“
16.5 Einordnung
Die Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” war die erste Entscheidung, die sich explizit und umfangreich mit dem Patentierbarkeitsausschluss § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG befasste. In der Vorgängerentscheidung “Sprachanalyseeinrichtung” (hier Entscheidung Nr. 15) erwähnte der BGH noch explizit, um eine Anwendung dieser Regel herumgekommen zu sein, da ein Computerprogramm nicht beansprucht war (obschon er erwähnte, dass ein Computerprogramm “konkret” sein müsse). Dies war in der hier vorliegenden Entscheidung nicht mehr möglich.
Im Ergebnis las der BGH die Vorschrift so, dass dadurch nicht-technische Erfindungen ausgeschlossen und technische Erfindungen erlaubt waren. Nach Lesart des BGH bezog sich die Vorschrift nicht auf den Ausschluss von Software schlechthin. Ansprüche konnten somit auf reine Software (ohne Verwendung in einer Hardware) gerichtet sein, wenn diese das Kriterium der Technizität erfüllte. Dazu müsste die Software ein konkretes technisches Problem lösen. Dies war eine Verallgemeinerung der in der Entscheidung “Logikverifikation” festgestellten Erweiterung des Technizitätsbegriffs auf Erfindungen, die einen Zwischenschritt im Rahmen der Herstellung technischer Gegenstände betrafen, wobei die Herstellung an sich jedoch Teil der beanspruchten Erfindung war.
Das im Patentgesetz 2007 eingeführte Erfordernis der Technizität in § 1 Abs. 1 war demnach allein eine deklaratorische Feststellung des richterrechtlich entwickelten Technizitätskriteriums, welches im Hinblick auf Software im § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 PatG konkretisiert wurde. Da sich das Technizitätskriterium auf alle Patentierbarkeitsausschlüsse “als solche” bezog, wurde es durch die Formulierung in § 1 Abs. 1 somit lediglich “vor die Klammer” gezogen. Der erst seit 2007 gültige § 1 Abs. 1 und der bereits zur dieser Entscheidung vorhandene § 1 Abs. 3 Nr. 3, Abs. 4 hatten somit – zumindest nach dieser Entscheidung – einen gemeinsamen Kern und konnten unabhängig voneinander geprüft werden.
17. Die BGH-Entscheidung “Elektronischer Zahlungsverkehr, 2004
Die Entscheidung “Elektronischer Zahlungsverkehr (GRUR Int 2004, 874) beschäftigte sich wie die zuvor zu Softwarepatenten ergangene Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” (hier Entscheidung Nr. 16) mit dem Patentierbarkeitsausschluss gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG (1981). Die Entscheidung stellte zudem die Verbindung zwischen Technizität und den Kriterien Neuheit und erfinderischen Tätigkeit dar.
17.1 Leitsatz
Die Erteilung eines Patents für ein Verfahren, das der Abwicklung eines im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung liegenden Geschäfts mittels Computer dient, kommt nur in Betracht, wenn der Patentanspruch über den Vorschlag hinaus, für die Abwicklung des Geschäfts Computer als Mittel zur Verarbeitung verfahrensrelevanter Daten einzusetzen, weitere Anweisungen enthält, denen ein konkretes technisches Problem zugrunde liegt, so daß bei der Prüfung auf erfinderische Tätigkeit eine Aussage darüber möglich ist, ob eine Bereicherung der Technik vorliegt, die einen Patentschutz rechtfertigt.
17.2 Streitgegenständlicher Anspruch
Verfahren zur gesicherten Durchführung einer Transaktion im elektronischen Zahlungsverkehr im Internet, bei dem ein von einem Kunden an einem Computer elektronisch abrufbares Angebot eines mit dem Computer des Kunden über eine elektronische Datenverbindung verbundenen Computers eines Anbieters zur Ausführung eines Auftrags gelangt, indem in automatisierter Abfolge folgende Verfahrensschritte durchgeführt werden: | |
a) | Durch die Annahme des Angebots durch den Kunden wird mittels Computer (1) des Anbieters ein Identifikationsdatensatz erzeugt, der eine erste Schlüsselinformation enthält, und an den Computer (2) des Kunden übermittelt. |
b) | Unter Verwendung des Identifikationsdatensatzes wird vom Computer (2) des Kunden ein elektronischer Überweisungsdatensatz unter Verwendung eines an sich bekannten elektronischen Zahlungssystems (electronic banking) erzeugt, welcher zusammen mit der ersten Schlüsselinformation an den Computer (3) eines Kreditinstituts des Kunden übermittelt wird. |
c) | Der Computer (3) des Kreditinstituts übermittelt die erhaltene erste Schlüsselinformation an einen zentralen Server (4). |
d) | Der zentrale Server (4) vergleicht die vom Computer des Kreditinstituts erhaltene erste Schlüsselinformation mit einer entsprechend vom Computer (1) des Anbieters an den zentralen Server (4) übertragenen zweiten Schlüsselinformation.” |
e) | Bei Übereinstimmung der enthaltenen Schlüsselinformationen übermittelt der zentrale Server (4) ein Bestätigungssignal an den Computer (1) des Anbieters zur Freigabe der Durchführung des Auftrags und ein Ausführungssignal an den Computer (3) des Kreditinstituts zur Ausführung der Zahlungstransaktion. |
17.3 Streitverlauf
Der BPatG hatte eine Anmeldebeschwerde zurückgewiesen, weil der Gegenstand des Hauptanspruchs keine technische Erfindung gemäß § 1 Abs. 1 PatG sei. Im Vordergrund hatte das BPatG eine geschäftliche Zahlungsmethode erkannt. Auch die Problemstellung – Sicherung eines Zahlungsverkehrs gegen Missbrauch – sei nicht auf ein technisches Problem beschränkt und könne ohne technische Mittel gelöst werden. Die anspruchsgemäße Lösung werde dementsprechend auch nicht durch technische Mittel erreicht, die auf den Einsatz oder Verbesserung herkömmlicher Mittel gerichtet seien. Sicherheit werde nicht verbessert. Eine besondere technische Leistung bezüglich des computer-basierten Zahlungsmodells sei nicht gegeben.
Die Anmelderin hielt dagegen. Das technische Problem bestehe darin Zahlungsdaten gegen Ausspähung im Internet und unbefugte Verwendung zu schützen. Als technische Lösung wird ein vierter Server zwischen die Server geschaltet, die den Zahlungsverkehr abwickeln. Die Abstraktion des vierten Servers als “neutrale Instanz” durch das BPatG werde dem nicht gerecht.
Der BGH folgte zumindest dem BPatG nicht und verwies die Sache zurück.
Das BPatG sei zunächst von der falschen gestetzlichen Regelungen ausgegangen:
“Das BPatG hat sich bei seiner Entscheidung wesentlich von dem Beschluss des Senats vom 17. 10. 2001 (BGHZ 149, 68 = GRUR 2002, 143 – Suche fehlerhafter Zeichenketten) leiten lassen, wie dem Hinweis auf diesen Senatsbeschluss und der Wiedergabe verschiedener in diesem enthaltener Aussagen in dem angefochtenen Beschluss entnommen werden kann. Das BPatG hat dabei übersehen, dass der Senatsbeschluss „Suche fehlerhafter Zeichenketten” nicht von dem sich aus § 1 I PatG ergebenden Erfordernis der Technizität des Gegenstands handelt, für den um Patentschutz nachgesucht wird (vgl. hierzu BGHZ 143, 255 = GRUR 2000, 498 – Logikverifikation; BGHZ 144, 282 = GRUR 2000, 1007 = NJW 2000, 3282 – Sprachanalyseeinrichtung), sondern sich mit der Frage des in § 1 II Nr. 3, III PatG geregelten Patentierungsausschlusses befasst.”
“Ob die für einen Patentschutz erforderliche Technizität gegeben ist, erschließt sich bei hierauf ausgerichteter wertender Betrachtung des in dem angemeldeten Patentanspruch definierten Gegenstands (BGHZ 143, 255 [263] = GRUR 2000, 498 – Logikverifikation).“
Weiter beanstandete der BGH mangelnde Würdigung von Anspruchsmerkmalen durch das BPatG:
“Denn dabei ist unberücksichtigt geblieben, dass nach den Merkmalen 3 (= Merkmal b, Anm. d. Verf.) und 4 (Merkmal c, Anm. d. Verf.) ein mit der Anmeldung vorgeschlagenes Lösungsmittel darin besteht, bestimmte Daten unter Verwendung eines ausweislich der Beschreibung sicheren elektronischen Zahlungssystems zu übermitteln.”
Der BGH sah auch keinen Grund, warum die beanspruchte Erfindung vom Patentierbarkeitsausschluss § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG 1981 betroffen sein sollte:
“Mit diesen Fragen (siehe 17.4 Anm. d. Verf.) hat sich das BPatG – von seinem Standpunkt aus folgerichtig – nicht befasst. Dem Senat ist insoweit auch eine bestätigende abschließende Entscheidung verwehrt, weil es noch weiterer tatrichterlicher Aufklärung bedarf. Auf Grund der bisher getroffenen Feststellungen kann nach dem zu 2b bereits Ausgeführten nicht abschließend beurteilt werden, ob denjenigen Anweisungen der angemeldeten Lehre, die über den Einsatz von Computern ihrer Bestimmung und Eignung gemäß hinausgehen, ein konkretes technisches Problem zu Grunde liegt, das die sichere Übermittlung von Daten von einem Computer zu einem anderen betrifft.“
Damit verwies der BGH den Fall zur weiteren Aufklärung zurück an das BPatG.
17.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Die Erwähnung eines Computers reiche für die Überwindung des Patentierbarkeitsauschlusses § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG nicht aus:
“Angesichts des Umstands, dass Pläne, Regeln und Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten sowie Programme für Datenverarbeitungsanlagen nach diesen Vorschriften von Gesetzes wegen vom Patentschutz ausgenommen sind, wenn für sie als solche Schutz begeht wird, kann ein Verfahren, das der Abwicklung eines im Rahmen wirtschaftlicher Betätigung liegenden Geschäfts dient, allerdings nicht bereits deshalb patentierbar sein, weil es bestimmungsgemäß den Einsatz eines Computers erfordert (vgl. Senat, BGHZ 149, 68 [73f.] = GRUR 2002, 143 – Suche fehlerhafter Zeichenketten).“
Vielmehr müssen weitere computerbasierte Anweisungen vorliegen, die “ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln“ lösen:
“Diese (weiteren) Anweisungen müssen vielmehr die Lösung eines technischen Problems mit technischen Mitteln zum Gegenstand haben. Denn wegen des Patentierungsausschlusses und der umfassenden Eignung von Computern vermögen regelmäßig erst sie die Patentfähigkeit eines Verfahrens zu begründen, das Computer nutzt. Außerhalb der Technik liegende Anweisungen, insbesondere wenn sie sich darauf beschränken, zu umschreiben, wozu der Computer eingesetzt werden soll, genügen in diesem Zusammenhang grundsätzlich nicht; sie sind nur in dem Umfang von Bedeutung, in dem sie auf die Lösung des technischen Problems mit technischen Mitteln Einfluss nehmen.”
“Den (weiteren) Anweisungen muss daher ein konkretes technisches Problem zu Grunde liegen, das sie lösen sollen
(vgl. wiederum Senat, BGHZ 149, 68 = GRUR 2002, 143 – Suche fehlerhafter Zeichenketten).”
Die Lösung von Problemen geschäftlicher Tätigkeit seien im Allgemeinen nicht patentierbar:
“Eine Aufgabe, die sich im Rahmen geschäftlicher Tätigkeit stellt, die abgewickelt werden soll, ist – auch wenn sie im Vorfeld technischer Maßnahmen gelöst werden muss – für sich nicht genügend. Das folgt aus dem Zweck des Patentrechts, ausschließlich erfinderische Problemlösungen auf dem Gebiet der Technik durch ein zeitlich beschränktes Ausschließlichkeitsrecht zu fördern.“
Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit seien allein technische relevante Merkmale heranzuziehen:
“Im Hinblick darauf, dass über den Patentschutz ausschließlich Problemlösungen auf einem Gebiet der Technik gefördert werden sollen, weil sie in Ansehung des Stands der Technik auf erfinderischer Tätigkeit beruhen, geht es allein darum, diejenigen Anweisungen zu erfassen, die insoweit bedeutsam sind, weil sie eine Aussage darüber erlauben, ob eine schutzwürdige Bereicherung der Technik vorliegt.”
Diese allgemeine Regel sei für computer-implementierte Erfindungen besonders relevant:
“Bei einer Patentanmeldung, die auf die Nutzung von Computer und Datenverarbeitung setzt, hat diese Frage jedoch besondere Bedeutung, weil hier zum einen die gedankliche Trennung zwischen der technischen Problemstellung und der ihr nur vorgelagerten Aufgabe, deren Bewältigung die Nutzung des Computers dienen soll, nicht in gleicher Weise ins Auge fällt und zum anderen der Gesetzgeber zwar Lehren zum technischen Handeln nicht wegen der Nutzung von Computer und Datenverarbeitung vom Patentschutz ausschließen wollte, durch § 1 II Nr. 3, III PatG aber zum Ausdruck gebracht hat, dass ein Patentschutz erst in Betracht kommt, wenn der Gegenstand, für den Patentschutz begehrt wird, über ein Programm für Datenverarbeitungsanlagen als solches hinausgeht.“
Schlussendlich sieht der BGH keine Prüfungsreihenfolge bei den einzelnen Anforderungen:
“Das BPatG wird deshalb die Anmeldung einer erneuten sachlichen Überprüfung unterziehen müssen, wobei hinsichtlich der gesetzlichen Patentierungsvoraussetzungen und Patentierungsausschlüsse keine bestimmte Prüfungsreihenfolge eingehalten werden muss.”
17.5 Einordnung
Obschon bereits seit etlichen Jahren obsolet, wendete das BPatG auch in diesem Fall die Kerntheorie (‘Im Vordergrund stehe eine Zahlungsmethode’) als auch die Beitragstheorie (‘Verbesserung herkömmlicher Mittel nicht ersichtlich’) an. Diese Vorstellungen der Bewertung softwarebasierter Erfindungen hatten sich offensichtlich sehr fest gesetzt. Vielleicht deswegen, weil durch die subjektive Kerntheorie eine einfache Bewertung eines beanspruchten Gegenstands möglich war. Die subjektive Bewertung liegt dem Menschen näher die objektive, kriterienbasierte Herangehensweise.
Zur Überwindung der Hürde “als solche”, so erklärte der BGH, müssten neben einem Computer bzw. einem computer-ausführbaren Programmcode ein oder mehrere weitere Merkmale beansprucht sein. Durch die weiteren Merkmale der Software muss ein konkretes technisches Problem gelöst werden. Erst damit könne der in § 1 Abs. 2 Nr. 3, Abs. 3 PatG (1981) definierte Patentierbarkeitsausschluss überwunden werden.
Der BGH folgte seiner vorangegangenen Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” (hier Entscheidung Nr. 16), in der der Patentierbarkeitsausschluss zu Software erstmals höchstrichterlich untersucht wurde.
Zusätzlich stellte der BGH fest, dass für die Analyse der erfinderischen Tätigkeit allein technische Merkmale heranzuziehen sind. Dies ist nicht zu verwechseln mit der aufgegebenen Beitragstheorie, nach der auf Technizität nur die neuen/erfinderischen Merkmale untersucht wurden. Durch die Beitragstheorie musste auch ein eindeutig technischer Gegenstand als nicht-technisch verworfen werden, wenn dieser zum Stand der Technik zählte. Dieses unbillige Ergebnis der Beitragstheorie führte zu deren Fall. Die neue Herangehensweise des BGH ist gegen solche Ergebnisse robust. Technizität wird zunächst auf Basis aller Anspruchsmerkmale festgestellt (vgl. BGH Logikverifikation – hier Entscheidung 14). Für eine Analyse der Neuheit und erfinderischen Tätigkeit werden jedoch noch die technischen Merkmale bzw. die Merkmale, die einen technischen Beitrag liefern, herangezogen. Denn diese Merkmale sind deswegen zu identifizieren, “weil sie eine Aussage darüber erlauben, ob eine schutzwürdige Bereicherung der Technik vorliegt“. Damit wurde in dieser Entscheidung die auch heute noch gültige Methode zur Bewertung von Ansprüchen mit technischen und nicht-technischen Merkmalen eingeführt.
18. Die BGH-Entscheidung “Anbieten interaktiver Hilfe”, 2004
18.1 Leitsatz
Ein Verfahren zum Betrieb eines Kommunikationssystems, bei dem von einem Kunden an seinem Rechner vorgenommene Bedienhandlungen erfasst, an einen zentralen Rechner gemeldet, dort protokolliert und mit Referenzprotokollen verglichen werden, um dem Kunden, wenn er voraussichtlich sonst keinen Auftrag erteilen wird, an seinem Rechner eine interaktive Hilfe anzubieten, ist als solches nicht dem Patentschutz zugänglich.
18.2 Streitgegenständlicher Ansprüche
Hauptantrag
a) | Verfahren zum Betrieb eines Kommunikationssystems mit wenigstens einem Kunden-Rechner und einem zentralen Rechner, die über ein Netz miteinander verbindbar sind, beinhaltend folgende Schritte: |
b) | Ein Aufrufen einer Angebotsseite zu wenigstens einem Angebot eines Anbieters durch einen Kunden am Kunden-Rechner wird vom zentralen Rechner erkannt, |
c) | die vom Kunden im Zusammenhang mit der Angebotsseite am Kunden-Rechner vorgenommenen Bedienhandlungen werden erfasst und in Echtzeit an den zentralen Rechner gemeldet, |
d) | die gemeldeten Bedienhandlungen werden im zentralen Rechner fortlaufend in ein Protokoll eingetragen, das kontinuierlich mit Referenzprotokollen verglichen wird, und |
e) | ergibt das Vergleichen an einem Zeitpunkt mit einer vorgebbaren Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde keinen Auftrag zu dem Angebot eingeben wird, so wird dem Kunden am Kunden-Rechner eine interaktive Hilfe angeboten. |
Hilfsantrag
Verfahren nach Anspruch 1, wobei | |
g) | die gemeldeten Bedienhandlungen werden im zentralen Rechner fortlaufend in ein Protokoll eingetragen, das kontinuierlich mit Referenzprotokollen, die mit einer vorgebaren Wahrscheinlichkeit darauf hinweisen, dass der Kunde keinen Auftrag zu dem Angebot eingeben wird, und mittels einer lernenden Struktur bestimmt werden, verglichen wird, und |
h) | ergibt das Vergleichen an einem Zeitpunkt, dass der Kunde keinen Auftrag zu dem Angebot eingeben wird, so wird dem Kunden am Kunden-Rechner eine interaktive Hilfe angeboten. |
18.3 Streitverlauf
Eine im Prüfungsverfahren festgestellter Mangel an erfinderische Tätigkeit wurde vom BPatG bestätigt. Dagegen richtete sich die Rechtsbeschwerde.
Als Aufgabe der Erfindung wurde ein verbessertes Überwachungsverfahren mit dem unter anderem die Anzahl erfolgreich abgeschlossener Bestellvorgänge erhöht werden kann.
Das BPatG war der Meinung, die beanspruchte Lehre liege nicht auf technischem Gebiet. Die Aufgabe sei nicht technisch, sondern geschäftlich. Und die prägenden Anweisungen dienten nicht der Lösung eines konkreten, technischen Problems. Patentanspruch 1 lehre vielmehr vor allem, die Anzahl der erfolgreich abgeschlossenen Bestellvorgänge dadurch zu erhöhen, dass das Verhalten der Kunden ausgewertet und gegebenenfalls Hilfe angeboten werde.
Demgegenüber argumentiere der Anmelder, Verfahren, die allein per Computer automatisierte Abläufe betreffen, seien als technisch anzusehen. Durch die beanspruchte Erfindung könne die Anzahl aufgerufener Seiten vermindert und das Internet entlastet werden.
Dem stimmte der BGH nicht zu.
In der beanspruchten Erfindung erkannte der BGH nur einen mittelbaren Grund für die Steigerung des Auftragsvolumens. Die beanspruchte interaktive Hilfe soll ermöglichen auf den Kunden einzuwirken, falls ansonsten zu erwarten ist, dass der Kunde keinen Auftrag gibt. Diese Informationsbereitstellung basiere nicht notwendigerweise auf dem Einsatz beherrschbarer Naturkräfte zur Herbeiführen eines kausal übersehbaren Erfolges (vgl. “Rote Taube”, hier Entscheidung Nr. 1).
Auch die automatische, computerisierte Bereitstellung der Information rechtfertige keine andere Beurteilung. Dadurch stehe zwar der technisch Charakter der das Verfahren durchführenden Rechner außer Zweifel. Ein konkretes technisches Problem ergebe sich daraus jedoch nicht. Gleiches gelte für die vorteilhafte Entlastung des Internets. Dieser Vorteil sei keine technische Wirkung, sondern eine Wirkung des veränderten Nutzerverhaltens. Damit umfasst der Hauptantrag Software “als solche” die somit von von einer Patentierung ausgeschlossen war.
Auch durch die im Hilfsantrag der beanspruchten Lehre hinzugefügte künstliche Intelligenz (“lernende Struktur”) werde ein konkretes technisches Problem nicht gelöst. “Als solche” wäre die KI ebenfalls vom Patentierungsausschluss betroffen.
18.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Ein Software-basiertes Verfahren sei nicht schon wegen der Nutzung einer DV-Anlage (Anmerkung des Autors: i.e. der Verwendung eines technischen Mittels) technisch. Vielmehr müsse ein konkretes technisches Problem mit technischen Mitteln gelöst werden, um den Patentierbarkeitsausschluss gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 – 4 und Abs. 3 PatG zu überwinden, gemäß den Entscheidungen “Elektronischer Zahlungsverkehr (hier Entscheidung Nr. 17) und “Suche fehlerhafter Zeichenketten” (hier Entscheidung Nr. 16). Diese Voraussetzungen gelten für Verfahren und für Vorrichtung gleichermaßen.
Eine nicht auf technischem Gebiete liegende Aufgabe in der Patentanmeldung bestimme nicht bereits die Technizität der Erfindung. Welches technische Problem durch eine Erfindung gelöst wird, sei objektiv nach dem zu bestimmen, was die Erfindung tatsächlich leistet. Wie schon seit langem bekannt ist die in der Patentschrift angegebene Aufgabe nur als Hilfsmittel anzusehen für die Ermittlung des objektiven technischen Problems.
Sofern ein Teil der beanspruchten Lehre die o.g. Voraussetzung erfülle, sei zudem der o.g. Auschlusstatbestand überwunden, gemäß der Entscheidung “Elektronischer Zahlungsverkehr (hier Entscheidung Nr. 17).
18.5 Einordnung
In der Entscheidung “Anbieten interaktiver Hilfe” bestätigte der BGH seine, in den beiden vorangegangene entwickelte, Auffassung zur Überwindung des Patentierbarkeitsausschlusses gemäß § 1 Abs. 3 und Abs. 4 PatG. Neben einer allgemeinen Technologie (i.e. einem technische Mittel) müsse ein konkretes technisches Problem gelöst werden.
19. Die BGH-Entscheidung “Rentabilitätsermittlung”, 2004
19.1 Leitsatz
Ein Verfahren, bei dem mittels automatischer Erfassung und Übertragung von Betriebsdaten eines ersten medizintechnischen Gerätes an eine zentrale Datenbank sowie der Ermittlung von Vergütungsdaten und kalkulatorischen Kosten die Rentabilität der Anschaffung eines zweiten medizintechnischen Gerätes errechnet wird, ist als solches nicht dem Patentschutz zugänglich.
19.2 Streitgegenständliche Anspruch
Hauptantrag
Verfahren zum Ermitteln, ob für einen Betreiber (2) wenigstens eines ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) eine Anschaffung eines weiteren medizintechnischen Gerätes oder ein Ersatz für das erste medizintechnische Gerät (1a-1c) wirtschaftlich rentabel ist, aufweisend folgende Verfahrensschritte: | |
a) | Automatisches Ermitteln von einen Einsatz des ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) beschreibenden ersten Daten (30) während des Einsatzes durch das erste medizintechnische Gerät (1a-1c), |
b) | automatisches Übertragen der ersten Daten (30) an eine zentrale Datenbank (10), |
c) | Ermitteln von zweiten Daten (31), die eine Vergütung des Betreibers (2) auf Grund des Einsatzes des ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) beschreiben, |
d) | Ermitteln von dritten Daten (34), die kalkulatorische Kosten des Betreibers (2) umfassen, |
e) | basierend auf den ersten (30), zweiten (31) und dritten (34) Daten Ermitteln einer Rentabilität (38) des ersten medizintechnischen Gerätes durch eine der zentralen Datenbank (10) zugeordneten Auswerteeinrichtung (12), und |
f) | basierend auf den ersten (30), zweiten (31) und dritten (34) Daten und der Rentabilität (38) des ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c), Ermitteln einer potenziellen Rentabilität des weiteren medizintechnischen Gerätes beziehungsweise des Ersatzes des ersten medizintechnischen Gerätes durch eine der zentralen Datenbank (10) zugeordnete Auswerteeinrichtung (12). |
Hilfsantrag
Vorrichtung zum Ermitteln, ob für einen Betreiber (2) wenigstens eines ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) eine Anschaffung eines weiteren medizintechnischen Gerätes oder ein Ersatz für das erste medizintechnische Gerät (1a-1c) wirtschaftlich rentabel ist, aufweisend | |
i) | – eine zentrale Datenbank (10), die an ein Kommunikationsnetz anschließbar ist, |
ii) | – das erste medizintechnische Gerät (1a-1c), das derart ausgeführt ist, dass es automatisch seinen Einsatz beschreibende ersten Daten (30) ermittelt und über das Kommunikationsnetz an die zentrale Datenbank (10) übermittelt, und |
iii) | – eine der zentralen Datenbank (10) zugeordnete Auswerteeinrichtung (12), die derart ausgeführt ist, dass sie, basierend auf den ersten Daten (30), in der zentralen Datenbank (10) gespeicherten zweiten Daten (31), die eine Vergütung des Betreibers (2) auf Grund des Einsatzes des ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) beschreiben, und in der Datenbank (10) gespeicherten dritten Daten (34), die kalkulatorische Kosten des Betreibers (2) umfassen, eine Rentabilität (38) des ersten medizintechnischen Gerätes ermittelt und basierend auf den ersten (30), zweiten (31) und dritten (34) Daten und der Rentabilität (38) des ersten medizintechnischen Gerätes (1a-1c) eine potenzielle Rentabilität des weiteren medizintechnischen Gerätes bzw. des Ersatzes des ersten medizintechnischen Gerätes ermittelt. |
19.3 Streitverlauf
Die Prüfungsstelle des DPMA hatte die Anmeldung mangels Technizität zurückgewiesen. Das BPatG wies den Hauptantrag ebenfalls mangels Technizität zurück und für den Hilfsantrag zurück an das BPatG. Es lies jedoch die Rechtsbeschwerde zu.
Der BGH kontrollierte sowohl Hauptantrag und Hilfsantrag und bestätigte die mangelnde Patentierbarkeit des Gegenstandes des Hauptanspruchs zwar im Ergebnis, nicht jedoch methodisch.
Die Erfindung betrifft eine wirtschaftliche Rentabilitätsermittlung für Medizingeräte und Aufgabe deren automatisierte Ermittlung. Laut BPatG dienten die prägenden Anweisungen der beanspruchten Lehre nicht der Lösung eines konkreten technischen Problems. Eine Automatisierung eines betriebswirtschaftlichen Prozesses gebe der Gesamtbetrachtung keinen technischen Charakter. Sie stelle vielmehr nur einen bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Computers für ein betriebswirtschaftliches Verfahren dar.
Die Beschwerdeführerin wendete demgegenüber ein, sämtliche, für das Verfahren benötigte Komponenten seien technischer Natur. Zudem würden “echte” Messgrößen verwendet, die sich auf eine leistungsmäßige Beanspruchung des Medizingerätes und nicht auf betriebswirtschaftliche Daten bezögen.
Der BGH konnte nicht erkennen, wie der beanspruchte Gegenstand vom Patentierbarkeitsausschluss gemäß § 1 Abs. 2, 3 PatG ausgenommen sein sollte. Anders als vom BPatG angenommen, lag das Verfahren jedoch grundsätzlich auf technischem Gebiet gemäß § 1 Abs. 1 PatG. Dies änderte aber nichts am Ergebnis. Auch der Verweis auf die Einbettung in einen technischen Kontext gemäß der BGH-Entscheidung “Logikverifikation” (hier Entscheidung 14) konnte der Anmelderin nicht helfen. Der BGH konnte einen technischen Kontext in der Beschaffung eines medizinischen Ersatzgerätes nicht erkennen.
19.4 Allgemeingültige Aussagen des BGH
Zur Anwendung des Ausschlusskriteriums für Software konnte sich der BGH auf bestehende Rechtssprechung berufen:
“Da das Gesetz Programme für Datenverarbeitungsanlagen als solche vom Patentschutz ausschließt (§ 1 II Nr. 3 und III PatG), muss die beanspruchte Lehre vielmehr Anweisungen enthalten, die der Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln dienen (Senat, GRUR 2004, 667 – Elektronischer Zahlungsverkehr, für BGHZ vorgesehen; BGHZ 149, 68 = GRUR 2002, 143 – Suche fehlerhafter Zeichenketten)“.
Er erweiterte diese Methodik auch für andere vom Ausschlusskriterium betroffene Gegenstände:
“Nichts anderes gilt, wenn in Rede steht, ob eine beanspruchte Lehre als mathematische Methode (§ 1 II Nr. 1 PatG), als Regel oder Verfahren für geschäftliche Tätigkeiten (§ 1 II Nr. 3 PatG) oder als Wiedergabe von Informationen (§ 1 II Nr. 4 PatG) nicht als Erfindung anzusehen ist“.
Der BGH stellte nochmals klar, dass ein Computer mit Software vom Patentausschlusskriterium gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 3 ebenso betroffen ist wie die Software alleine:
“…auch bei der vorrichtungsmäßigen Einkleidung einer Lehre, die sich der elektronischen Datenverarbeitung
bedient, deren Patentfähigkeit nur dann zu bejahen ist, sofern hierbei die Lösung eines konkreten technischen Problems mit Mitteln gelehrt wird, […] (Senat, GRUR 2004, 667 – Elektronischer Zahlungsverkehr)“.
Jedoch schließe das Vorliegen einer nicht-technischen Aufgabe, das Vorliegen einer technischen Aufgabe nicht prinzipiell aus:
“Hingegen hat das BPatG nicht festgestellt, dass die beanspruchten Verfahrensschritte – was grundsätzlich denkbar wäre – neben ihrer betriebswirtschaftlichen Funktion auch der Lösung eines konkreten technischen Problems dienen.“
19.5 Einordnung
Der BGH konnte sich bei der Beurteilung umfassend auf bereits etablierte Rechtsprechung beziehen. Er stellte jedoch einen wichtigen Aspekt klar: Die Lösung eines konkreten technischen Problems mit technischen Mitteln sei notwendige und hinreichende Voraussetzung (“muss … enthalten”) zur Überwindung aller Alternativen 1 – 4 des Patentierbarkeitsausschlusses gemäß § 1 Abs. 2, 3 PatG. Dieses Kriterium hatte der BGH damit als umfassendes Kriterium zur Identifikation eines technischen Gesamtgegenstandes etabliert.
20. Fazit
Die Rechtsprechung für Softwarepatente begann mit der Entscheidung “Dispositionsprogramm” im Jahr 1976. In dieser erkannte der BGH, dass die Frage der Technizität das einzige Kriterium ist, um zwischen Softwareerfindungen, die patentrechtlich geschützt werden sollten, und solchen, für die kein patentrechtlicher Schutz beabsichtigt war, zu unterscheiden. In der Entscheidung “Dispositionsprogramm” wurden zudem die Beitragstheorie und die Kerntheorie als erste methodische Ansätze zur Bewertung der Technizität eingeführt. Grundlage dafür war die in der Entscheidung “Rote Taube” von 1969 ergangene Definition technischer Gegenstände.
Die Anwendung der Beitragstheorie sowie der Kerntheorie lieferten jedoch unbefriedigende Ergebnisse. Erfindungen, die im allgemeinen Sprachgebrauch als technisch galten, wurden als nicht technisch verworfen. Kritisiert wurde auch die stark subjektive Komponente, die von diesen Methoden ausging, und zu Rechtsunsicherheit führte. In der Entscheidung “Antiblockiersystem” wurde zunächst die Beitragstheorie kassiert. Dies wurde in der Entscheidung “Seitenpuffer” per Leitsatz nochmals betont. In der Entscheidung “Tauchcomputer” folgte dann – ebenfalls per Leitsatz – die Kerntheorie.
Eine weitere wichtige Entscheidung war “Logikverifikation” aus dem Jahr 2000. Hier führte der BGH einen neuen Typ technischer Erfindungen ein und betonte die Offenheit von Technologiedefinitionen. Insbesondere die in der Entscheidung “Rote Taube” benannte Definition war als hinreichendes Kriterium für Technizität zu verstehen und nicht als notwendiges. Darauf hatte der BGH zwar bereits im Jahr 1969 hingewiesen, dennoch wurde das dort entwickelte Kriterium oft als alleiniger Maßstab für Technizität erachtet.
In der Entscheidung “Sprachanalyseeinrichtung” aus dem Jahr 2000 betonte der BGH, die Unschädlichkeit eines menschlichen Eingriffs in einem Software-gesteuerten Verfahren für dessen Technizität.
Die bis dato bekannten Typen technischer Erfindungen wurden vom BGH in der Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” im Jahr 2001 aufgezählt:
- Software, die einen Aufbau eines Computers betrifft (BGH “Dispositionsprogramm”, hier Entscheidung 2);
- Software, die einen Gebrauch eines Computer betrifft (BGH “Dispositionsprogramm”);
- Software, die technische Abläufe, z.B. Steuerungen, betrifft (BGH “Antiblockiersystem”, hier Entscheidung 7);
- Software, die eine Funktionsfähigkeit, z.B. kürzere Berechnungszeiten, eines Computers betrifft (BGH “Seitenpuffer”, hier Entscheidung 11);
- Software, die einen Zwischenschritt im Rahmen eines Herstellungsverfahrens betrifft (BGH “Logikverifikation”, hier Entscheidung 14).
Eine Abstraktion dieser Typen sollten Software-basierte Erfindungen sein, welche die “Lösung eines konkreten Problems” betraf. Damit konnte das Ausschlusskriterium § 1 (3) (4) PatG überkommen werden. Software “als solche” war demnach Software ohne konkreten technischen Bezug. Die Entscheidung “Suche fehlerhafter Zeichenketten” setzte diesen Maßstab deutlich.
In der Entscheidung “elektronischer Zahlungsverkehr” aus dem Jahr 2004 bestätigte der BGH die in “Suche fehlerhafter Zeichenketten” neu formulierte Prüfungsmethodik. Demnach war “ein konkretes Problem mit technischen Mitteln” zu lösen, um das Ausschlusskriterium § 1 (3), (4) PatG für Software zu überkommen. Die Verwendung eines Standardcomputers (Anm. des Autors: i.e. eines technischen Mittels) allein führe nicht zur Technizität einer Software. Des Weiteren führte der BGH hier erstmals an, dass zur Bewertung der erfinderischen Tätigkeit nur technische Merkmale zu erfassen sind.
In den beiden folgenden Entscheidungen “Anbieten interaktiver Hilfe” und “Rentabilitätsermittlung” wurde diese Vorgehensweise bestätigt. Sicher war man sich mittlerweile zudem, dass Technizität ein notwendiges (nicht hinreichendes) Abgrenzungskriterium für alle im Ausschlusskriterium § 1 (3), (4) PatG aufgezählten Gegenstände war, nicht nur für Software. Letzteres wurde bereits in der Entscheidung “Dispositionsprogramm” postuliert. Einer Gesetzesänderung im Jahr 2007 war damit ein Weg bereitet. Erfindungen sollten ab dann gemäß § 1 PatG für Erfindungen “auf allen Gebieten der Technik” erteilt werden.