Am 19. Januar 2022 ist das “Protokoll zum Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht über die vorläufige Anwendung” in Kraft getreten. Dadurch wird der Countdown zum Einheitspatent (“Unified Patent”, UP) und zum Einheitlichen Patentgericht (“Unified Patent Court”, UPC) gestartet. Ein Überblick über die nächsten Schritte, bald erforderliche Maßnahmen und bestehende Probleme:
Provisional Application Period (PAP) gestartet
Der Start des Protokolls zum Übereinkommen über ein einheitliches Patentgericht und über die vorläufige Anwendung war an die 13. Ratifikation eines Mitgliedsstaats geknüpft. Dies ist mit der Ratifikation Österreichs am 18. Januar 2022 erfolgt. Die mit dem Protokoll verbundene Provisional Application Period (PAP) wurde somit am 19. Januar 2022 gestartet.
Die PAP dient dazu die Organisation des UPC betriebsfähig einzurichten. Formelle Leitungsgremien des UPC werden ihre Arbeit aufnehmen. Technische Infrastruktur, wie das elektronische Aktenmanagementsystem (CMS), soll eingerichtet und getestet werden. Außerdem können die Vorstellungsgespräche mit den zukünftigen Richtern des UPC beginnen und schließlich Ernennungen erfolgen.
Erst wenn die Betriebsfähigkeit des UPC sichergestellt ist, wird Deutschland seine Ratifikationsurkunde für das UPC-Übereinkommen beim Generalsekretariat des Rates der Europäischen Union hinterlegen. Erst dann kann das UPC-Übereinkommen in Kraft treten und das UPC und das UP können starten. Es wird erwartet, dass die PAP zwischen sechs und zehn Monate dauern wird. Ein vorgegebenes Ende gibt es nicht. Deutschland übernimmt somit eine Überwachungsfunktion für die Betriebsfähigkeit des UPC.
17 EU-Mitgliedstaaten nehmen bisher am UP/UPC teil: Belgien, Bulgarien, Deutschland, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Portugal, Slovenien und Schweden. Nur Polen, Spanien und Ungarn haben verkündet, dem UPC in nächster Zeit nicht beitreten zu wollen.
Europäische Patentanmeldungen können während der PAP noch nicht als UP deklariert werden. Falls Anmelder dies jedoch beabsichtigen, kommt eine entsprechende Verzögerung der Mitteilung nach R.71(3) EPÜ in Betracht. Darauf hat auch das EPA bereits explizit hingewiesen.
Entscheidung zum Opt-Out in der Sunrise Periode notwendig
Nach der Hinterlegung der Ratifikationsurkunde Deutschlands beginnt die “Sunrise-Periode”. Während der Sunrise-Periode können bestehende, validierte Bündelpatente, die nach dem EPÜ 2000 erteilt wurden, aus der Jurisdiktion des UPC herausgewählt werden (“opt-out”). Dies ist wichtig für Patentinhaber, die nicht wollen, dass ein validiertes Bündelpatent auf einen Schlag, d.h. in allen validierten und teilnehmenden EPÜ-Staaten beim UPC vernichtet werden kann.
Die Sunrise-Periode wird drei Monate dauern. Wird danach – z.B. gleich am ersten Tag des Inkrafttretens des UPC – Nichtigkeitsklage gegen ein europäisches Bündelpatent vor dem UPC eingelegt, ist ein opt-out nicht mehr möglich. Patentinhaber sollten sich also frühzeitig überlegen, ob sie ihr Bündelpatent für das UPC freigeben wollen oder nicht. Technisch wird ein Opt-Out über das CMS erfolgen können. Ein solcher Opt-Out ist auch reversibel, solange kein nationales Verfahren für das entsprechende Patent angestrengt wird.
Bereits in der Sunrise Periode können zudem Europäische Patentanmeldungen als UP deklariert werden. Auch hierauf hat das EPA bereits hingewiesen. Eine Deklaration als Bündelpatent wird darüberhinaus weiterhin möglich sein, zumindest während der ersten sieben Jahre das UPC. Letztendlich wird das Bündelpatent jedoch für die am UPC teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten auslaufen und nur noch das UP zu Verfügung stehen.
Bestehende Probleme
Auch nach dem Inkrafttreten gibt es beim UP und beim UPC etliche Probleme zu lösen.
Die bisher festgelegten Jahresgebühren, als Summe der Jahresgebühren der vier erteilungsstärksten Länder (“Top-4”), erscheint nach dem Brexit zu hoch. Die Briten hatten ihre Ratifikation im Zuge des Austritts aus der EU wieder zurückgenommen. Da eine Ratifikation nur durch Mitgliedstaaten erfolgen kann, ist eine erneute Ratifizierung unmöglich. Das Vereinigte Königreich wird am UP/UPC auch zukünftig nicht teilnehmen. Damit fällt jedoch eine rechtserfahrene, marktstarke Region aus der Jurisdiktion. Demgegenüber erscheint eine Orientierung der Jahresgebühren an dem Prinzip der Top-4 (jetzt: Deutschland, Frankreich, Italien, Niederlande) hoch gegriffen. Für Anmelder, die Patentschutz in mehr als vier oder fünf teilnehmenden EU-Mitgliedstaaten wünschen, wird das UP im Vergleich zum Bündelpatent dennoch die kostengünstigere Alternative sein.
Ein weiteres Problemfeld ist ebenfalls durch den Brexit begründet. Der in London angesiedelte Teil der Zentralkammer des UPC kann dort nicht mehr realisiert werden, da das Vereinigte Königreich weder EU Mitgliedstaat ist noch am UP/UPC teilnimmt. Die Geschäfte des Londoner Standortes sollen zunächst auf die anderen beiden Kammerteile in Paris und München aufgeteilt werden. Fraglich ist jedoch, ob diese Lösung von Bestand ist. Der für London bestimmte Zentralkammerteil könnte auch in eine andere europäische Metropole verlagert werden, z.B. Mailand, Madrid, Wien oder Stockholm.