Mit einer Schutzschrift können bei einem Gericht Argumente zur Nichtverletzung oder zur Nichtigkeit eines Patentes hinterlegt werden, um einen später darauf basierenden Antrag auf einstweilige Verfügung sofort entgegenzutreten und die begehrte ex-parte Verfügung abzuwehren.
Die Hinterlegung von Schutzschriften bietet auch das UPC an. Dort sind sie zu einer leistungsfähigen Dienstleistung konfiguriert. Eine fachlich kompetent abgefasste Schutzschrift kann sich beim UPC zu einem wichtigen und kostengünstigen präventiven Verteidigungsmittel entfalten. Lediglich ihre einmalige Hinterlegung beim UPC gewährleistet die Weitergabe ihrer Einzelheiten an alle Kammern. Wenn ein Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt wird, wird die Schutzschrift automatisch dem zuständigen Spruchkörper bzw. Einzelrichter zugestellt.
Die Schutzschrift: Ein präventives Verteidigungsmittel zur Abwehr einer einstweiligen Verfügung
Eine Schutzschrift kann beim UPC eingereicht werden, wenn eine Person, die eine Technologie anbietet oder verkauft, befürchtet, dass in naher Zukunft ein Antrag auf einstweilige Maßnahmen gegen sie als Antragsgegner bei Gericht gestellt werden könnte (Regel 207 der Verfahrensordnung des Einheitlichen Patentgerichts). Die Anordnung einstweiliger Maßnahmen kann ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners (ex parte) erfolgen (Regel 212), allerdings hat das Gericht insbesondere in Betracht zu ziehen, die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung zu laden, wenn der Antragsgegner eine einschlägige Schutzschrift eingereicht hat (Regel 209, 2 d). Demzufolge stellt die Hinterlegung einer Schutzschrift ein präventives Verteidigungsmittel dar, um das Risiko einer ex parte Anordnung einstweiliger Maßnahmen zu reduzieren.
Das Gericht kann einstweilige Maßnahmen ohne vorherige Anhörung des Antragsgegners insbesondere dann anordnen, wenn durch eine Verzögerung dem Antragsteller wahrscheinlich ein nicht wiedergutzumachender Schaden entstehen würde oder wenn nachweislich die Gefahr besteht, dass Beweismittel vernichtet werden (Regel 212). Die Einreichung einer Schutzschrift kann folglich zur Überzeugung des Gerichts dienen, dass es genug Zeit für eine Anhörung der Parteien ohne irreparable Schäden gibt und/oder es keine Gefährdung der Beweismittel ansteht. Der Zweck der Schutzschrift besteht somit darin, das UPC vom Erlass einer einstweiligen Verfügung grundsätzlich abzubringen oder zumindest eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, in der der Antragsgegner seine Argumente vorbringen kann.
Inhalt der Schutzschrift
Die Schutzschrift ist in der Sprache des Patents einzureichen. Sie soll Tatsachen, schriftliche Beweismittel und rechtliche Ausführungen beinhalten, die gegen eine Patentverletzung oder zumindest gegen die Dringlichkeit einer einstweiligen Verfügung sprechen. In diesem Sinn kann der Inhalt der Schutzschrift Nichtverletzungsargumente sowie, falls einschlägig, Gründe zur Nichtigkeit des Patents umfassen (Regel 207, 2, 3 a – c). Grundsätzlich ist zu beachten, dass eine Schutzschrift in rechtlicher Hinsicht fachlich kompetent abgefasst werden muss, da etwaige schwach formulierte Argumente sogar gegen den Antragsgegner im Laufe des Verfahrens wirken können.
Formell muss die Schutzschrift den Namen des Antragsgegners, des Antragsgegnervertreters, des mutmaßlichen Antragstellers und der entsprechenden Zustellungsbevollmächtigten, die postalische und elektronische Zustellungsadresse jeweiliger Partei sowie die Nummer des betreffenden Patents umfassen (Regel 207, 2 a-e).
Ort der Hinterlegung
Bezüglich europäischer Patente, für die kein Opt-Out-Antrag gestellt wurde, und europäischer Patente mit einheitlicher Wirkung (Einheitspatente) sind Schutzschriften direkt im Case-Management-System des UPC zu hinterlegen. Darüber hinaus kann es sinnvoll sein, auch gegen europäische Patente, die mittels Opt-Out aus der Zuständigkeit des UPC entfernt wurden, eine Schutzschrift beim UPC zu hinterlegen, da ein Opt-Out-Antrag jederzeit zurückgenommen werden kann (Art. 83, Abs. 3, 4).
Während einer Übergangsperiode von sieben Jahren nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens über ein Einheitliches Patentgericht, besteht für europäische Patente, für welche die Unzuständigkeit des UPC nicht beantragt worden ist (Opt-Out-Antrag), eine gleichzeitige Zuständigkeit des UPC und der nationalen Gerichte (Art. 83 Abs. 1, 3 EPGÜ). Aus diesem Grund kann die Schutzschrift auch in den nationalen Gerichten hinterlegt werden. Für deutsche Patente und deutsche Teile europäischer Patente sind die Schutzschriften in den deutschen zentralen elektronischen Schutzschriftenregister (ZSSR) einzureichen.
Dauer und Kosten
Die Schutzschrift stellt eine vorübergehende Schutzmaßnahme dar. Sie kann zwar jederzeit eingereicht werden, aber ihr Schutzdauer ist auf die sechs Monate befristet. Nach Ablauf dieser Frist ist eine Verlängerung von weiteren sechs Monaten unter Entrichtung einer Gebühr möglich. Weitere sechsmonatige Verlängerungen können auch beantragt werden, wenn die entsprechende Gebühr eingezahlt wird (Regel 207, 9).
Die Schutzschrift wird bei der Kanzlei[1] (“Registry”) des UPC eingereicht und solange sie die gesetzlichen Anforderungen entspricht, wird in das Register aufgenommen und ihre Einzelheiten an alle Kammern weitergegeben (Regel 207, 2, 5 b, c). Allerdings wird die Schutzschrift erst dann im Register öffentlich zugänglich, wenn ein Antrag auf einstweilige Verfügung gestellt wird (Regel 207, 7). Infolgedessen wird dem bestimmten Spruchkörper oder Einzelrichter eine Abschrift der Schutzschrift zusammen mit dem Antrag auf einstweilige Maßnahmen sowie dem Antragsteller sobald wie möglich eine Abschrift der Schutzschrift zugestellt. (Regel 207, 8 und 208, 1). Dennoch wird diese aus dem Register entfernt, wenn innerhalb von sechs Monaten nach ihrem Eingang kein Antrag auf einstweilige Maßnahmen gestellt wird, es sei denn, dass eine Fristverlängerung beantragt und die entsprechende Gebühr gezahlt worden ist (Regel 207, 9).
Wie schon erwähnt, setzt die Einreichung der Schutzschrift die Entrichtung einer Gebühr voraus (Regel 207, 4), welche in der Gerichtsgebührentabelle[2] des UPC festgesetzt wird und 200 Euro beträgt. Diesbezüglich sollte bemerkt werden, dass im Fall eines erfolglosen Antrags auf einstweilige Maßnahmen die Kosten, welche durch die Einreichung der Schutzschrift entstanden sind, erstattet werden können. Laut Rechtsprechung des UPC hat der Antragsteller eines erfolglosen Antrags auf Erlass einstweiliger Maßnahmen in der Regel auch diejenigen Kosten zu tragen, die dem Antragsgegner durch die Einreichung einer Schutzschrift entstanden sind. Dies ergibt sich aus Sicht der Lokalkammer daraus, dass die eingereichte Schutzschrift durch ihre Zuleitung gemäß Regel 207.8 VerfO Bestandteil des Verfahrens auf Erlass einstweiliger Maßnahmen geworden ist. Die durch die Einreichung einer Schutzschrift entstandenen Kosten sind daher regelmäßig vom erfolglosen Antragsteller zu erstatten.[3] Das Gericht hat somit die Bedeutung einer Schutzschrift sowohl für das Ergebnis des Verfahrens als auch für die Aufteilung der Prozesskosten hervorgehoben.
Verfahrensablauf
Wenn das UPC gegen eine ex parte Anordnung einer einstweiligen Verfügung beschließt und darauffolgend die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung einzuladen beabsichtigt, wird dies zunächst dem Antragsteller mitgeteilt. Infolgedessen kann er seinen Antrag auf einstweilige Verfügung zurückziehen und beantragen, dass das Gericht den Antrag und dessen Inhalt für vertraulich erklärt (Regel 209, 4, 5). Somit wird dem Antragsteller die Möglichkeit angeboten, die Argumente aus der Schutzschrift nochmals abzuwiegen und ggf. seinen Antrag zurückzuziehen, ohne dass der Antragsgegner oder die Öffentlichkeit davon erfährt.
Wenn der Antragsteller seinen Antrag nicht zurückzieht, ordnet das Gericht die Weiterleitung des Antrags an den Antragsgegner, mit der Aufforderung innerhalb einer festgelegten Frist einen Einspruch gegen den Antrag auf einstweilige Maßnahmen einzulegen (Regel 209, 1, a). Das Gericht wird dann wahrscheinlich die Parteien zu einer mündlichen Verhandlung laden (Regel 209, 1, b).
Das Gericht kann auch trotz eingereichter Schutzschrift, einen Antragsteller zu einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Antragsgegners laden, insbesondere dann, wenn es die Schutzschrift für nicht überzeugend hält (ex parte Anordnung laut Regel 209, 1, c, 212).[4]
Autorin: Dr. Olga Michala
E-mail: michala_at_paustian.de
[1] Art. 10 EPGÜ, Regel 3, 4 VerfO
[2] https://www.unified-patent-court.org/sites/default/files/upc_documents/ac_05_08072022_tabelle_gerichtsgebuhren_d.pdf
[3] Verfahrensnummer UPC_CFI_292/2023 erlassen am 20/12/2023 vom Lokalkammer München.
[4] Siehe dazu: „Einstweilige Verfügung ohne mündliche Verhandlung trotz Schutzschrift“, EPG, Lokalkammer Düsseldorf, Anordnung vom 22. Juni 2023 – UPC CFI 177/2023, ORD 525740/2023.