Brexit und Patente, Marken, Designs

– von Martin Kuschel –

Kurz vor dem Ende der Übergangsperiode am Jahresende haben es die EU und das Vereinigte Königreich am 24.12.2020 doch noch geschafft ein Freihandelsabkommen zu vereinbaren. Ein harter Brexit wird vermieden, der beide Parteien für eine Zusammenarbeit allein den WTO-Regeln überlassen hätte. Dennoch sind bereits jetzt durch die Vereinbarungen und durch die Regelungslücken Hindernisse in der zukünftigen Zusammenarbeit beider Parteien erkennbar. Dies gilt gerade auch für IP-rechtliche Problemfelder.

I. Das Freihandelsabkommen im Allgemeinen

Das Freihandelsabkommen ist alles andere als umfassend. Es fehlen viele Aspekte, die zuvor durch die EU-Grundfreiheiten (Freiheiten des Dienstleistungs-, Kapital-, Personen-, und Warenverkehrs) gelöst waren. Auch von einer justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen ist kaum die Rede. Die gegenseitige Anerkennung und Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen sowie etliche andere Regelungen für grenzüberschreitende Zivil- und Handelssachen, die für EU-Mitgliedsstaaten gelten, gehören damit im Verhältnis zum Vereinigten Königreich (zunächst einmal) der Vergangenheit an.

II. Die Regelungen zum gewerblichen Rechtsschutz

Der gewerbliche Rechtsschutz erfährt jedoch gleich im zweiten Teil des Abkommens („Part two: Trade, transport, fisheries and other arrangements“) ein eigenes Unterkapitel. Dort verpflichten sich zunächst beide Seiten auf ein angemessenes und effektives Niveau zum Schutz von geistigen Eigentum. Ebenfalls verpflichten sich beide Seiten zur Einhaltung grundsätzlicher internationaler Verträge des modernen IP-Rechts (u.a. TRIPS, Pariser Verbandsübereinkunft, Berner Übereinkunft, WIPO Vertrag zum Urheberrecht, Protokoll zum Madrider Markenabkommen). Beide Partien verpflichten sich auch dem Prinzip der Inländergleichbehandlung für alle Arten gewerblicher Schutzrechte, abgesehen bestehender Ausnahmen durch internationale Verträge.

a) materiell-rechtliche Regelungen

Materiell sind die wichtigen Schutzrechte adressiert: Urheberrecht, Marken, Designs, Schutzrechte auf Pflanzen sowie Patente. Auch der Umgang mit Geschäftsgeheimnissen ist Thema des Abkommens. Insbesondere wird auf Marken und Designs eingegangen, da diese Schutzrechte in ihrer grenzübergreifenden Ausgestaltung auf europäische Verordnungen zurückgehen, die mit dem Brexit und nach der Übergangsperiode für das Vereinigte Königreich obsolet sind.

Explizit ausgenommen von einer Regelung ist die Frage nach der Erschöpfung von gewerblichen Schutzrechten. Wie auch für die Regelungen der justiziellen Zusammenarbeit in grenzüberschreitenden Zivilsachen fehlt hier bisher ein Vertrauenskonzept, um sich zu einigen. Damit verringert sich beispielsweise die gemeinschaftsrechtliche Erschöpfung für Patente und Marken auf die verbleibenden EU-Mitgliedsstaaten. Waren und Dienstleistungen, die im Vereinigten Königreich mit Zustimmung eines Patent- oder Markeninhabers in den Verkehr kommen, führen nicht mehr zur Erschöpfung von dessen parallelen Schutzrechten in einem EU-Mitgliedsstaat. Umgedreht gilt Entsprechendes: Waren und Dienstleistungen, die in der EU mit Zustimmung des Patent- oder Markeninhabers in den Verkehr gelangen und in das Vereinigte Königreich importiert werden, verletzen dessen paralleles britisches Schutzrecht weiterhin. Dies bedeutet eine erhebliche Einschränkung des freien Warenverkehrs.

b) formell-rechtliche Regelungen

Zivilprozessual bekennen sich die Parteien dazu, Methoden zur Sachverhaltsaufklärung und Beweissicherung zur Verfügung zu stellen. Die Bandbreite der nationalen Maßnahmen ist allerdings groß (umfassende discovery im Vereinigten Königreich und Saisie-contrefaçon in Frankreich, dagegen eingeschränktes selbstständiges Beweisverfahren in Deutschland). Das dürfte sich aufgrund des Abkommens wohl kaum ändern. Maßnahmen zum einstweiligen Rechtsschutz sollen ebenso von beiden Seiten bereitgestellt werden, wie die Möglichkeit korrigierende Maßnahmen, Schadensersatz oder Unterlassungen anzuordnen. Auch hier soll sicherlich kein konsolidierender Effekt bei den vielfältigen nationalen Implementierungen bewirkt werden. Im Allgemeinen bleiben die Vereinbarungen im Rahmen der für beide Parteien untereinander nun nicht mehr geltenden Durchsetzungsrichtlinie (Richtlinie 2004/48/EG), deren Regelungen und Systematik jedoch nahezu identisch übernommen wurden.

Eine wichtige Motivation der Briten für den Brexit war die Loslösung vom EuGH als Kontrollinstanz zur Auslegung und Durchsetzung grenzüberschreitender Regelungen. Dies ist nunmehr zumindest für die im Freihandelsabkommen vereinbarten IP-rechtlichen Themen endgültig erfolgt. Anstelle des EuGH wird ein ausschließlicher Streitbeilegungsmechanismus vereinbart, der im sechsten Teil des Abkommens (“Part six: Dispute settlement and horizontal provisions”) dargelegt ist.

III. Fazit

Unterm Strich scheint das Unterkapitel zum gewerblichen Schutzrecht in den Verhandlungen ein weniger kompliziertes Thema gewesen zu sein. Die dort festgelegten Regelungen umfassen leicht zustimmungsfähige Aspekte aus internationalen Verträgen, den nationalen Rechtsordnungen sowie aus der Durchsetzungsrichtlinie. Allein der Streitbeilegungsmechanismus ist neu. Es wird sich zeigen, inwiefern durch diesen überhaupt regelnd eingegriffen werden muss. Grenzüberschreitende Aspekte mit Konfliktpotential, wie z.B. Erschöpfung, Rechtshängigkeitssperren oder gegenseitige Ausnahme zur Leistung von Prozesskostensicherheit, wurden ausgenommen. Vom EU-Gemeinschaftspatent hatten sich die Briten bereits freiwillig zurückgezogen.

Im Effekt ist durch das Freihandelsabkommen für den gewerblichen Rechtsschutz im Verhältnis der EU zum Vereinigten Königreich zementiert worden, was viele bei einem Brexit befürchtet hatten. Zum Preis der Loslösung von der EU ist nichts besser geworden, aber (zunächst) einiges komplizierter und einiges schlechter.

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